In seinem Live- Album „Directo“, aufgenommen im Rahmen der Bienal von Sevilla 2014, präsentiert sich der Preisträger von 2012, José Valencia, als besonders feinsinniger Interpret früherer und rhythmisch freier Stile des Flamenco. Hier kommt seine von Flamencotimbre angereicherte, im Grunde aber sehr klare Stimme besonders gut zum Ausdruck. Dies beweist der Sänger aus Lebrija bereits im ersten Titel der CD, der als Abfolge mehrerer Flamencostile ein Pregón und eine Toná voranstehen. Mit einer Liviana, einer Frühvariante der Seguirilla und einem Abandolao, einer Variante des Fandango de Málaga, sind auch seltener gehörte Stilvarianten auf seiner Live-CD zu hören.

In meiner heimlichen Kategorisierung gehört er zu den „Belcanto-Sängern“ der Flamencoszene, die weniger von Camarón de la Isla und seinem damals revolutionären Gesangsstil geprägt sind, dessen Einfluss bis heute bei vielen jungen Sängern zu spüren ist. So haben auch Tangos, Bulerías und Alegrías dieser CD immer eine gewisse lyrische Note, in „Presto-Gesangspassagen“ erinnert mich José Valencia ein bisschen an Chacetón. Eine Soleá por Bulería und eine Granaina runden das interessant gewählte Programm ab. Überzeugend auf der Gitarre begleitet wird er von Juan Requena und Manuel Parrilla, Neffe von Parrilla de Jerez.

Ein sehr schönes Live-Album, dessen Qualität sich erst nach wiederholtem Hören wirklich offenbart und deshalb besonders für Flamencofans zu empfehlen ist, die sich ernsthaft für Gesang, insbesondere auch für Cante Jondo, interessieren.

2015, El Mandaito Producciones, Sevilla,
Deposito legal: B 4553-2015,
erhältlich u.a. unter: http://www.elflamencovive.com

Foto von Ralf Bieniek