Viel hat sich für Antonio Molina seit 2013 verändert, das Jahr, in dem das folgende Interview entstanden ist. Beim Festival de Jerez präsentierte er in diesem Februar sein neues Stück „Aviso: Bailes de jitanos“, eine Produktion der Fundación Cristina Heeren unter der künstlerischen Leitung von Rafael Estévez. Eine Reise durch die Jahrhunderte mit von Gitanos kreierten oder adoptierten Choreografien. Mit der Bailaora Gema Moneo, den Gitarristen Jesús Guerrero und Juan Campallo und den Sängern Pepe de Pura, Moi de Morón und Jesús Corbacho gewann er den begehrten Preis für die interessanteste Neuentdeckung, die jedes Jahr von den Flamencokritikern in der Bar Juanito verliehen wird. Aber schauen wir zurück in das Jahr 2013 als er beim Festival in Düsseldorf gemeinsam mit 4 anderen Tänzern auftrat.

Flamenco oder Fussball, das ist die Frage

Erzähl ein wenig über dich

Ich komme aus der Stadt Huelva in der gleichnamigen Provinz und ich habe meine ersten Schritte an der Hand meines Vaters, er ist auch Tänzer und heißt genau so wie ich Antonio Molina „Choro“. Schon einige Jahre später bin ich aber dann, wann immer ich konnte nach Sevilla gefahren um Unterricht bei Manolo Marín zu nehmen und bei Javier Cruz. Mit 14 habe ich bei einem Wettbewerb gewonnen und zog nach Sevilla. Der Preis war ein Stipendium bei der Fundación Cristina Heeren und ab da habe ich bei vielen gelernt, vor allem aber bei Rafael Campallo, er ist so was wie mein Maestro.

Wolltest du immer schon Tänzer werden?

Nein, ich wollte Fußballer werden und als ich klein war, habe ich viel mehr Zeit mit dem Fußball als mit den Tanzschuhen verbracht. Mit 13 musste ich mich dann entscheiden…

Was hat denn der Fußball mit dem Flamenco zu tun? Du bist ja wirklich nicht der einzige, Israel Galván wollte ja auch Fußballer werden.

Ehrlich gesagt, weiß ich das auch nicht, aber es stimmt. Viele Tänzer sind Fußballfans und in Sevilla gibt es sogar ein Turnier und unsere Mannschaft heißt „Flamenco fútbol club“, wir sind 4 Tänzer, 2 Sänger und 2 Gitarristen und wir lieben es. Rafael spielt auch bei uns.

Vielleicht hat es einfach mit Gefühlen zu tun. In unserer superkontrollierten Welt gibt es wenig Situationen, in denen man seinen Emotionen freien Lauf lassen kann.

Das stimmt, wenn du einen guten Pass machst oder ein Tor schießt, gehen die Emotionen hoch, wie im Flamenco. Außerdem ist es oft so, wenn ich Stress habe, dass ich ein paar Freunde anrufe und sie frage, ob sie Lust haben auf eine Partie und dann spielen wir und alles ist wieder gut.

Hast du keine Angst dich zu verletzen?

Klar, aber wir spielen oft nur mit halber Kraft und unter uns und wenn ein Ball zu scharf reinkommt, dann schauen wir, dass wir aus der Schusslinie kommen und springen zur Seite.

Auf welcher Position spielst du denn?

Im Mittelfeld

Wer ist dein Idol?

Von den Alten war das Fernando Redondo, ein Argentinier, der bei Madrid gespielt hat und heute natürlich viele wie Xavi, Hiniesta, Xavi Alonso usw.

Zurück zum Flamenco, du hast ja gerade dein eigenes Stück präsentiert, nicht wahr?

Ja, es heißt „Solera 85“ und es ist sehr schön, finde ich, mit Pepe de Pura, Javier Rivera und Jeromo Segura am Cante und Juan Campallo und Jesús Guerrero an der Gitarre. Leider kam uns nach der Premiere die Krise in die Quere und seitdem interessieren sich die Manager nur mehr für die 5 Künstler, die mit Sicherheit Geld bringen und du müsstest dein eigener Manager sein mit deinem eigenen Büro im Internet. Außerdem gibt es heutzutage unglaublich viele Tänzer und Tänzerinnen, viel mehr als früher, die Academias sind alle voll und zu allem Überfluss tanzen die auch noch sehr gut.

Dann ist es doch gut, dass so etwas wie gestern Abend zustande kommt.

Na klar, da bekommst du sozusagen 5 zum Preis von einem, ein absoluter Luxus. Ich habe schon früher mit María la Serrana getanzt und sie wollte ein traditionelles Stück mit hervorragenden Tänzern, mit Rafael Campallo, Ana Morales, David Peña und mir. 100% Flamenco und Emotionen im Publikum, genau so.

Höre ich da ein Problem mit dem modernen Flamenco heraus?

Na ja, die jungen müssten bevor sie sich in ein Stück stürzen mit Handlung und irgendeinem dramaturgischen Hintergrund einfach erst einmal tanzen und nur das. Israel Galván und Andrés Marín haben die Latte sehr hoch gelegt, aber die tanzen Flamenco, sie kennen die Welt der Tablaos und die Arbeit, die dahinter steckt, sie kennen die Basis. Heute macht jeder irgendwas und ich nehme an diesem Kreationsprozess nicht teil. Ich will meine 5 Palos gut tanzen und nicht nach dem Stück die Fragen hören wie „Hast du eine Ahnung worum es da ging?“.

Denkst du, dass der traditionelle Tanz dabei ist, an Prestige zu verlieren?

Absolut. Wenn du „puro“ tanzt, finden sie dich altmodisch, irgendwie zurückgeblieben. Das ist doch der Flamenco, wie er immer war, die alten Quellen, aus denen wir alle getrunken haben. Vielleicht sollten sie das, was sie da machen, einfach anders nennen.

Ich bin jetzt 28 Jahre alt und mein Maestro ist auch nicht soviel älter und wir tanzen einfach nur Flamenco. Als ich in die Fundación Cristina Heeren kam, war ich noch ein Kind und kannte nichts anderes.

Hat das vielleicht auch damit zu tun, dass du Gitano bist?

Das glaube ich nicht, schau mal, wer bei uns dabei ist, Javier Rivera und Jesús Corbacho, zwei großartige Sänger und keiner von beiden ist Gitano. Das stimmt schon lange nicht mehr, du bist Gitano und deswegen puro und du bist Payo und singst deswegen schlechter, natürlich gibt es einen Unterschied, aber er hat damit nichts zu tun.

War deine Kindheit anders als die der Payos?

Als ich noch klein war, hat mich meine Mutter nicht mit einer Geschichte oder einem Wiegenlied eingeschläfert, sondern sie hat mir Camarón aufgelegt und damit bin ich eingeschlafen. Und vielleicht hatte ich als Kind schon mehr Kontakt mit dem Flamenco, einer sang immer oder spielte Gitarre, eine Pataíta hier, ein wenig Cajón da, das kann schon sein, dass wir als Kinder mehr Flamenco um uns hatten.

Du bist in einem Gitano-Viertel aufgewachsen

Ja klar, in Torrejón, dem Barrio gitano von Huelva, nur mit Gitanos, aber als ich dann mit 14 nach Sevilla ging, war ich nur mit Payos zusammen und das war so eine prägende Zeit, meine besten Freunde heute sind Payos.

Und was willst du werden, wenn du groß bist?

Ich möchte das machen, was ich am besten kann und mir selbst treu bleiben: Ich möchte meine Soleá, meine Seguiriya und meinen Tarantos tanzen, ich werde nicht in die Rolle eines anderen schlüpfen, ich werde ich selbst bleiben und darauf stolz sein.