Rainer Maria Nero ist ein schüchterner Mensch, aber nur, wenn er auf der Bühne sprechen muss, sobald er die Gitarre in die Hand nimmt und zu spielen beginnt, ist davon nichts mehr zu spüren. Dann ist er konzentriert, souverän und wenn er den Kopf zurücklegt, ganz in sein Spiel vertieft, fliegen seine Finger über die Saiten, präzise und elegant. Sein Talent ist unübersehbar und er ist noch sehr jung. Zwei CDs hat er bisher veröffentlicht, 2015 seine klassische Debut CD „Castles of Spain“ und 2017 seine Flamenco CD „Fantasías y Danzas“ mit dem von ihm gegründeten Ensemble „Flamensky“, die er im renommierten Café Berlín in Madrid in diesem Jahr zum ersten mal präsentierte.

Ein Name, den sich jeder merken sollte

Eigentlich heißt er Rainer Maria Zehetbauer, ein Name, den sich niemand merken kann außerhalb Österreichs, von den Ausspracheschwierigkeiten gar nicht zu reden und so hat sich irgendwann „Nero“ eingebürgert, sagt der Urwiener mit polnischen Wurzeln, seine Mutter ist Polin und er ist zweisprachig aufgewachsen, in Wien natürlich.

Die Gitarre rief ihn zum ersten mal, als er sie in der Hand seines großen Bruders sah, sein Vorbild in vielen Dingen und so kam er zu seiner ersten Unterrichtsstunde. Während sich sein Bruder nach kurzem auf die Punkmusik verlegte, sollte der Weg von Rainer Maria ihn ganz woanders hin führen.

Im Alter von 10 Jahren fing er an Privatunterricht zu nehmen, sein erster Lehrer war Jaroslaw Jarzab, genannt Jarek, der ihn von Anfang an ermunterte, sich mit Flamenco zu befassen, weil es auch eine seiner Leidenschaften war. Rainer Maria bekam also schon zu Beginn einerseits in den Genuss einer klassischen Ausbildung, andererseits war er schon sehr früh mit den grundlegenden Techniken der Flamencogitarre vertraut.

Mit 16 Jahren begann er im Vorbereitungslehrgang der Musikuniversität klassische Gitarre zu studieren, mit 19 machte er den Übergang zum regulären Studium, das er vor kurzem mit dem Master abschloss. Parallel studierte er weiter im Flamenco, immer mit dem Input von außen, er fuhr nach Spanien so oft es ging und dennoch kam der wichtigste Impuls sich mit dem Cante und den verschiedenen Stilen zu beschäftigen wieder von einem Polen, von Jakub Niedoborek, einem Gitarristen aus Lublin, einer Stadt an der Grenze zur Ukraine, mit dem er auch heute noch gemeinsam auftritt, wie zuletzt in Wien. Er war sein erster richtiger Mentor, der ihn bei der Hand nahm und ihn konsequent begleitete, bis heute.

Alexander Swete, den er als einen der besten klassischen Gitarristen weltweit betrachtet, war sein Lehrer auf der Universität, auch er ermunterte ihn immer wieder Flamenco zu spielen, genauso wie Martin Kelner, dem er viele Momente der Inspiration verdankt und der immer bereit war, ihm wichtiges Feedback zu geben.

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Das Solospiel hat seine Wurzeln in der Begleitung

Bei seinen Reisen nach Spanien lernte er bei einem Workshop Carlos Piñana Conesa kennen, ein wichtiger Lehrer und bekannter Gitarrist aus Murcia, dem das Talent des jungen Gitarristen nicht verborgen blieb. Bei ihm und seinem Bruder, dem Cantaor Curro Piñana blieb er über ein Jahr, was in einer engen Zusammenarbeit mit den beiden mit Auftritten in und außerhalb Spaniens mündete. Er wurde ihr zweiter Gitarrist und lernte alles über die Tanz-und Gesangsbegleitung, denn sie ist die Basis und in ihr hat auch das Solospiel seine Wurzeln, wie er immer wieder betont. Gemeinsam traten sie in den Theatern, Clubs und Peñas in der Region Murcia und Cartagena auf und Carlos Piñana ermunterte ihn immer wieder seinen eigenen Stil zu entwickeln, basierend auf der makellosen Technik der Klassik und dem traditionellen Spiel der Flamencos. Lernen möchte er als nächstes bei Pedro Sierra in Sevilla, eine Reise, die schon geplant ist und auf die er sich gerade vorbereitet.

Ein begabter Komponist

Bei seinen letzten Konzerten in Linz, Wien und Bratislava war auch offensichtlich, dass er ein sehr begabter Komponist ist, obwohl es ihm auch gelingt, den Interpretationen traditioneller Stücke oder Werken der Meister, wie der sagenhaften Bulería „Almoraima“ von Paco de Lucía eine eigene Note zu geben, was bei so bekannten Stücken ja gar nicht so einfach ist.

Sein Talent als Komponist zeigt sich aber dann bei seinen eigenen Stücken wie der Seguiriya, die er im Wiener Neruda zum besten gab, sie begann ganz traditionell, schon beim ersten Anschlag erkannte man den Palo, aber dann befreit sie sich von den Vorgaben, fliegt dahin und endet in einer zeitgemäßen Interpretation, die schöner nicht sein könnte. Wie seine Stücke entstehen ist ganz unterschiedlich, manchmal geschieht das bei einer Probe, wenn er bei seiner Tanz oder Gesangsbegleitung auf ein Motiv stößt, das ihm gefällt und das er dann heraus arbeitet, manchmal aber auch durch eine Reaktion auf das, was die anderen spielen. Es gibt Dinge, die spontan entstehen, andere sind analytischer, wo er alles einzeln herausarbeitet, das erste Thema, der Estribillo, da wird dann alles strikt und systematisch durchkomponiert.

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Die Welt der Sologitarre, aber nicht nur

Sein Ziel ist es Konzertgitarrist zu werden, er ist geprägt durch das klassische Spiel der Sologitarre. Er tritt alleine auf, als Tanzbegleiter mit Flaco de Nerja wie bei dem Stück „Bailaoras“ aber auch als Trio in „ProFlamenco“ mit den Gitarristen Mateusz Górecki und Jukub Niedoborek. Sie konzentrieren sich hauptsächlich auf ihre eigenen Kompositionen, aber auch die Arrangements von Flamencogitarristen für drei Gitarren haben es in sich. Da fließen dann zeitgenössische Harmonie-und Spieltechniken mit ein, sie erlauben auch die Improvisation und den Einsatz der elektrischen Gitarre. Die Basis ist natürlich der Flamenco, aber Einflüsse von Jazz und Ethno bewegen das Genre in eine neuere, moderne Dimension. In seinem Ensemble „Flamensky“ kommen auch andere Instrumentalisten zum Zug, wie der Klarinettist Oscar Antoli oder sein Perkussionist Chris Stanger, mit dem er schon lange zusammen spielt.

Rainer Maria Neros Leben unterscheidet sich kaum von dem anderer Gitarristen: Sobald er morgens die Augen aufschlägt, greift er zur Gitarre, meistens noch vor dem Frühstück und nach dem ersten Kaffee geht es dann gleich weiter. Er übt viele Stunden am Tag und lebt von seinen Auftritten, etwas, was nicht vielen Gitarristen vergönnt ist, er unterrichtet wenig, wann denn auch, sagt er.

Eine frühere Leidenschaft, das Skateboard Fahren hat er aufs Abstellgleis gestellt, die Finger eines Gitarristen sind zu kostbar. Wenn am Abend Zeit bleibt, geht er ins Porgy & Bess oder in klassische Konzerte und da ist er in Wien ja am richtigen Platz.