Manchmal kommt etwas einfach so, wenn man es gar nicht erwartet. Das Genie von Joaquín Grilo erwachte gestern Nacht im Teatro Lope de Vega in Sevilla. Nicht, dass er es nie gehabt hätte, er hatte es immer, aber in den letzten Jahren war es verborgen wie unter einer Decke aus Baumwollwolken. Als ob es auf diese Nacht gewartet hätte. Vom ersten Moment an leuchtete sein Licht und wie im Rausch nahm es die Zuschauer mit auf eine Reise, die fast zu schnell zu Ende war. Er ist, und das ist heute wirklich schwierig, niemandem ähnlich. Er hat einen ganz eigenen Stil. Niemand macht die Drehungen so wie er, niemand hat diese Schlaksigkeit, die Fred Astaire kennzeichnete, dieses Fliegen über die Bühne von Farruquito und ein Soniquete, das seinen ganz eigenen Rhythmus kennzeichnet. Eine Akzentuierung des Rhythmus, die ohne schwindelerregendes Tempo auskommt und dennoch markiert er den Compás wie kein anderer.

Joaquin Grilo © Óscar Romero · 006

Eine Kunst ist es natürlich auch, sich mit den richtigen Musikern zu umgeben, wie in diesem Fall mit dem Gitarristen Antonio Rey. Was für ein Toque, was für eine Kraft, was für eine Melodie. Gerne hätte ich die Aufnahme gehört und alles weggenommen um nur sein Spiel zu hören. Meisterhaft. Da gibt es kein anderes Adjektiv. Und natürlich Dorantes, einer der größten Musiker des aktuellen Panoramas. Immer im Dienst der Künstler, die er begleitet. Wie Sara Argujo sagen würde: egal, wo er ist, er macht alles größer.

Que Cádiz tiene solera no es menester discutir

Im Hotel Triana wartete dann Cádiz, auch eine Szene, die fast vergessen war in den letzten Jahren und die jetzt wie ein Vulkan, der lange Zeit brodelte, ausbricht mit einer Gewalt, die jeden Rahmen sprengt.

Juan Villar, María Moreno, David Palomar, Anabel Rivera, Edu Guerrero, Rosario Toledo, El Junco und noch viele mehr brachten den Patio des Hotel Triana zum Kochen in überströmender Lebensfreude und einem unvergleichlichen Soniquete. Eigentlich ist es nicht zu beschreiben, man muss dabei gewesen sein.

Flamencos de la tacita © Óscar Romero · 002

Das ist ja auch das Schöne am Flamenco, dieses Vergängliche, das du dir natürlich auf Youtube ansehen kannst, aber es ist nicht das gleiche. El Junco bei seinem Tientos, wo alles zur Ruhe kommt, majestätisch, groß und wunderbar, Eduardo Guerrero mit einer Seguiryia, die jeden Rahmen sprengt, so groß kann das Theater gar nicht sein, was für ein Tänzer, was für eine Präsenz, was für ein großer Künstler.

Und dann David Palomar, Rosario Toledo und Juan Villar, die das Publikum mit der kleinsten Geste in die Tasche stecken, der Luxus eines Rafael Rodríguez mit seinem Toque, wo jeder Ton mehr Gewicht hat als eine ganze Klaviersonate, was soll ich sagen, außer: Was für eine Nacht.