Voces del Extremo, übersetzbar mit „Stimmen vom Rand, von draußen, vom (anderen) Ende, Extremstimmen“ etc., ist die 2015 erschienene CD von Niño de Elche, alias Francisco Contreras Molina (geboren 1985 in Elche, Nähe Alicante), mit andalusischen Wurzeln, und schon mit zwölf Jahren Preisträger eines Jugend-Flamencogesang-Wettbewerbs.

Niño de Elche – ein Aktionist unter den Flamencosängern

Bekannt geworden unter anderem auch für seine „Flamenco – Vertonung“ von Gedichten von Miguel Hernández, verwendet er hier Texte von Poetinnen und Poeten, um seinem musikalisch kanalisierten, gesellschaftlichen Protest und jenem der Literatinnen und Literaten eine Stimme zu geben. Elche ist der Aktionist unter den Flamencosängern, nicht zuletzt aufgrund seines interaktiven Videos mit einem Stier, den er für die Tradition des Stierkampfes sozusagen gesanglich um Verzeihung bittet.

„Este es un disco para los que asumen que nuestra tarea es politizar la vida pero no para movilizarnos en el reducto de la política sino para inventar formas y dispositivos que nos ayuden a habilitarla plenamente con decencia y honradez, lejos de traiciones y las cobardías que en nombre de la razón del Estado se han hecho contra ella.“
Das ist eine CD für jene, die ebenfalls der Ansicht sind, dass es unsere Aufgabe ist, das Leben zu politisieren, aber nicht, um uns im Schlepptau der Politik zu mobilisieren sondern um Formen und Mittel zu finden, die uns helfen, dieses Leben moralisch, ehrenvoll und dezent zu verbringen, entfernt vom Verrat und der Feigheit, die im Namen des Rechts und der Vernunft des Staates an diesem Leben begangen werden. (Booklet der CD).

Annäherung über die Texte

Ein Annähern an die CD muss wohl, zumindest für mich, über die Texte erfolgen; die, grob zusammengefasst, Ausdruck des oben übersetzten Zitates sind. Que os follen, also Fuck you, {…} die immer sich wiederholenden Vergewaltigungen durch erfundene und installierte Gesetze im Namen der demokratischen Gewalt {….}, oder Niemand kennt mich, nicht einmal meine Tasse Kaffee, alles Textfragmente als Ausdruck des politischen Protests oder des persönlichen Existenzialismus.

Die Musik dazu

Die Musik, die daruntergelegt wird, ist für mich eine Art Psychedelic – Rock, kombiniert mit der Stimme von Niño de Elche. In Estrategias de Distracción, Canción de Corro del Niño Palestino und in El Comunista legt sie sich fast predigend über die Begleitband, eine Saeta-CD mit seiner Stimme würde ich mir wahrscheinlich kaufen. Ansonsten sprechen mich weder die Kombination dieser beiden musikalischen Welten noch die eingebauten, doch etwas abgelutschten Sound-Effekte wirklich an. Die mit dem I Premio Ruido 2015 ausgezeichnete CD offeriert für mich nichts Neues oder Aufregendes, wirkt eher wie Retrosound. Da höre ich mir, profan gesprochen, lieber die klassischen Bands dieser Richtung an, wie z.B. Pink Floyd oder die Absolutely Live von den Doors, auch wenn dieser Vergleich natürlich mehr als hinkt.

Die spanische Rockmusik hatte immer etwas sehr Eigenes, hat sich international mit wenigen Ausnahmen nie wirklich durchgesetzt, ihre Verbindung zur Flamencomusik wirkte in weiterer Folge auch immer etwas aufgepfropft. Dieser, mittlerweile ja nicht mehr neue Cross-Over Versuch verlangt sehr viel Subtilität, ist eigentlich ein schwieriges Unterfangen und auf dieser CD für meinen Geschmack, und hier erhebe ich natürlich keinen Anspruch auf Allgemeingültigkeit, nicht wirklich gelungen. Am besten gefällt mir noch die mit viel Akustik-Gitarre gestaltete Nummer Informe para Costa Rica, aber die tanzt musikalisch eben stark aus der Reihe!

Legal und gratis zum download http://www.ninodeelche.net/Voces_del_Extremo_disco.html
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„Voces del Extremo“ ist in Spanien die vielfach ausgezeichnete „beste CD des Jahres 2015“