Eines der besten Tanzfestivals Europas ging zu Ende und wie jedes mal blickt die Tanzwelt zurück und ist dankbar für die großartige Arbeit von Intendant Karl Regensburger und seinem großartigen Team. Dass es diesmal an drei Abenden mit einer Performance von Israel Galván abschloss, freut die gekränkten Flamenco Aficionados besonders, aber gut – was nicht ist kann ja noch werden.

Israel Galván has the Swing

Am Beginn seiner Performance im RadioKulturHaus in der Wiener Argentinierstrasse schwingt er sich ein. Mit einem Anfängerschritt. Und sofort wird eines klar: Er hat den Swing. Er hat eine innere Uhr, die den Takt angibt und die sich nicht jedem erschließt. Versuche, den Takt zu klopfen, sind zum Scheitern verurteilt, nicht aber jene, die Augen zu schließen und sich den Tönen hinzugeben. Mein Nachbar tat es und hörte sogar die Orgel brummen, obwohl sie gar nicht gespielt wurde.

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Er hörte Tausende kleine Kieselsteine den Berg hinunter kullern, er hörte prasselnden Regen an einem Sommerabend, hörte die Beats eines guten Rockkonzerts und das Kratzen eines herrenlosen Hundes an der Vordertür.

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Open eyes

Ich hatte die Augen offen und was ich sah, gefiel mir außerordentlich. Ich sah die Wahrheit der präzisen Gesten, winzige Gesten, die dennoch etwas Besonderes sind. Ich sah diesen Reichtum an Bewegungen, die früher nicht denkbar gewesen wären, ich sah einen erschöpften Körper, der mit erbarmungsloser Konsequenz eine Geschichte erzählte. Ich sah einen narzisstischen Tänzer, der sich exhibitionistisch in den Mittelpunkt stellt und dabei nichts von seiner Scheu verliert. Ich sah die Freiheit, die nur in Bindung möglich ist und die Avantgarde, die ihre Wurzeln in der Tradition hat und ich sah eine ganz neue Art von Schönheit.

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Whatever, wherever for whatever reason

Bei Israel Galván muss man sich einfach andere Fragen stellen, vielleicht welche, die in einem ganz anderen Zusammenhang stehen. Aber eigentlich spielt auch das keine Rolle. Er ist auf der Reise und nicht aufzuhalten. Dass er im RadioKulturHaus einen Stopp einlegte, war ein Glück, noch dazu für eine Premiere. Auf die Frage, was er sich selber fragen würde, sagte er in einem Interview mit Paco Sánchez Mújica: Ich würde mich nichts fragen, aber ich würde mir sagen: Mach weiter, mach weiter…. Es gibt eine Sache im Körper, die mich dazu ermahnt, weiter zu machen. Die Frage wäre: Warum machst du nicht weiter….?

Auf Flamenco divino finden Sie viele Interviews und Artikel über Israel Galvén, das neueste hier.

Israel Galván: RadioConcert

RadioKulturHaus Wien

5./6./.7. 08.2022

www.impulstanz.com

Text: Susanne Zellinger

Fotos: yako.one