Gema Caballero stammt aus Granada und ist eine der ungewöhnlichsten Stimmen des zeitgenössischen Flamenco. Hell, klar und kristallin hat sie dennoch Tiefe und berührt, blond und blauäugig entspricht sie überhaupt nicht dem gängigen Bild der Cantaora und ist dennoch stark und überzeugend. Schon als junges Mädchen sang sie in den verschiedenen Peñas und Tablaos von Granada bis ihr der Sprung auf die großen Bühnen gelang. Sie ist unverzichtbarer Bestandteil der Stücke von Sara Calero, bei denen sie auch die musikalische Leitung übernimmt.

2012 nimmt sie ihre erste Solo Cd „De Paso en Paso“ auf, die bei Publikum und Kritik gleich gut aufgenommen wird. José Luis Ortiz Nuevo schreibt darüber:

Diese CD ist wie ein kristallines Echo eines erstaunlichen musikalischen Erbes mit dem Stempel eines erneuerten Klassizismus. Ein freier und doch geregelter Flug in die Erinnerung. Eine Hommage an das Wort selbst und seine Bedeutung. Die Verehrung der einfachen Schönheit der Natur und der kunstvollen Klage. Ein Ausflug an die Strände des Gedächtnisses. Ein Flamenco wie ein durchsichtiger Kristall, der in den Winkeln der Freude und des Schmerzes glitzert. Aufschrei und Klage der Frau, die singt. Suchen und Leidenschaft. Zuneigung. Zärtlichkeit.

Du warst noch nicht oft in Deutschland, oder?

Stimmt. Eigentlich erst einmal mit Concha Jareño in Düsseldorf und jetzt bin ich mit dem neuen Stück von Sara Calero hier in Berlin. Ich hoffe, man wird sich an mich erinnern.

Du wirkst sehr sensibel, du berührst durch deinen Gesang, das ist dir wichtig, nicht wahr?

Oh ja, sehr. Ich liebe, was ich tue, ich fühle mich wirklich bevorzugt und immer wenn ich auf der Bühne stehe, genieße ich es sehr. Für mich ist es essentiell, dass mein Gesang Gewicht hat und auch die Texte sind mir sehr wichtig. Ich lege mein ganzes Gefühl in den Cante, ich lebe meinen Beruf sehr intensiv, ich bin eine große Aficionada.

Immer schon?

Ich habe spät angefangen, aber dann packte mich der Flamenco mit ganzer Kraft, es war wie eine Droge. Bevor ich es als Beruf betrachtete, hörte ich vor allem sehr viel. Ich bin ja aus Granada, da ist der Flamenco sehr präsent. Mit der Zeit sagten dann die anderen, dass ich gut singe und sie schubsten mich in die richtige Richtung.
Am Beginn stand natürlich Enrique Morente, er war einer der Künstler, die in mir tiefe Gefühle für den Cante erweckten.

Und wer hat dich schließlich auf die Bühne geschubst?

Als ich zu singen begann war ich oft im Realejo Viertel in Granada unterwegs und ein Freund von Enrique, Manolo, hörte mich bei einer Weihnachtsfeier im Theater Alhambra und er lud mich zu sich nachhause ein um Cante zu hören und das taten wir dann jeden Freitag. Er hatte unglaublich viele Schallplatten, wir hörten verschiedenste Sänger, auch die ganz alten, und dann redeten wir darüber. Und da begann meine wirkliche Afición. In meinem Haus gab es keinen Flamenco, ich habe da keine Wurzeln oder so.

Du siehst ja auch nicht wirklich wie eine Cantaora aus mit deinen blonden Haaren und deinen blauen Augen…

Ich weiß und immer, wenn ich mit meinen dunkelhaarigen Freundinnen unterwegs bin, fragen die Leute sie, ob sie die Sängerinnen sind und dann sage ich „Nein, die Cantaora bin ich!“, aber ich hab mich schon daran gewöhnt und es macht mir nichts mehr aus.

Du bist ja nicht nur Sängerin, du leitest ja auch die musikalische Produktion. Schreibst du deine Texte selbst?

Nein, leider, ich würde gerne, aber das kann ich nicht. Ich suche meine Texte meistens in der Folklore, im andalusischen Liedgut, da gibt es ja so viele gute Texte und einer ist schöner als der andere.

Was hat dich denn an der „Maja“ interessiert? Wir im Norden dachten ja, das ist ein Frauenname.

Nein, die Maja ist ein bestimmter Frauentyp, eigentlich aus der Unterschicht, ein leichtes Mädchen, aber mit Klasse. Goyas Bild „El mirar de la Maja“ hat uns inspiriert. Man weiß ja bis heute nicht, wen er da gemalt hat, eine Adelige oder eine Prostituierte, und ihr Blick sagt sehr viel, Traurigkeit, Schmerz, aber da liegt auch noch anderes in diesem Blick. Es interessierte uns, welche Frau diesem Bild zugrunde liegt, oder welche Frauen. Das Thema sind auf jeden Fall die Frauen in all ihren Facetten und ich wechsle ja auch mehrmals die Rollen.

Hat das auch einen feministischen Hintergrund?

Nein, das ist für mich kein Thema. Ich weiß, dass oft gesagt wird, dass die Frau es im Flamenco schwer hätte, ihren Platz zu finden, dass es soviel Machismo gibt, aber dazu kann ich nichts sagen, das habe ich nicht erlebt. Ich musste nicht kämpfen, ich fühle mich stark und alles liegt in meinen Händen.

Du machst, was dir gefällt?

Auf jeden Fall. Ich bestimme auch mein Tempo selbst, ich bin allerdings nicht sehr schnell. Ich brauche Zeit, aber ich möchte gerne wieder eine CD aufnehmen. Außerdem bereiten Sara und ich wieder ein neues Stück vor, es heißt „Cosmogonía“ bei dem ich auch wieder die musikalische Leitung über habe.