„Fliegen und Diamanten“

Bei seiner Premiere letzten Samstag in Ronda bewies Francisco Hidalgo erneut, dass er einer der kreativsten Tänzer seiner Generation ist. Schon in Jerez im letzten Jahr erregte er die allgemeine Aufmerksamkeit mit seinem eher traditionellen Stück „Ver, Oir y bailar“, und diesmal bewegte er sich, wie er sagt, aus seiner Komfortzone in Richtung moderner Flamenco, etwas, was ich aus einem Grund nicht teilen kann: Selten habe ich in der letzten Zeit einen Tänzer gesehen, der sich so selbstverständlich in einer für ihn neuen Welt bewegte. Da war nichts gesucht, nichts neu erfunden, nichts kompliziert und nichts verkrampft.

Er wagte sich an etwas Neues, das schon, aber er hat dabei keinen Schritt übersprungen, es fühlte sich an wie eine natürliche Entwicklung, die in die richtige Richtung geht.

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Wir sahen, was er fühlte, wir spürten, was er sagen wollte und was sich vor unseren Augen präsentierte, war ein durchkomponiertes Stück ohne mühsam erdachte Botschaften und mit hervorragenden Künstlern.

Antonia Jiménez ist ja inzwischen keine Unbekannte mehr und dennoch hat sie es wieder geschafft zu überraschen mit ihrem kraftvollen Spiel und ihren zauberhaften oder fast magischen Kompositionen, mit denen es ihr gelingt Bilder zu kreieren, Landschaften vor unseren Augen entstehen zu lassen, ihre Taranta zu Beginn war ein Genuss genauso wie die Verdiales – Abandolaos für die sie stürmischen Szenenapplaus bekam. Einfach großartig.

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Der junge Cantaor Kiko Peña aus Écija hat eine tolle Stimme und begeisterte mit Tangos de Málaga, bei dem er sich auf dem E-Bass begleitete, genauso wie der Perkussionist Iván Mellén, der sich auch in andere Musikrichtungen bewegt, was im Flamenco immer eine Bereicherung ist: Monoton? Keine Minute! Spannend? Andauernd.

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Francisco Hidalgo legte gleich zu Beginn einige Schichten Kleider ab, die ihn behinderten, wie auch einen Stuhl, eine Last, die er mit sich trug und die er endlich loswerden musste, genauso wie die psychischen Grenzen und die Erwartungen, die er glaubte, erfüllen zu müssen. Auch die Geschichte mit der Glatze, die für einige Manager anscheinend ein Problem darstellte, wird zu einem Thema hinter dem Komma, weil er seine Probleme nicht vor sich herträgt, sondern sie mit Gefühl und Kraft umsetzt, indem er sagt: „Ich ergebe mich nicht, ich kämpfe und ich werde siegen“.

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Denn was vor allem zählt ist, dass er ein hervorragender Tänzer ist mit einem absolut modernen Bewegungsrepertoire, hoher Musikalität und großer Bühnenpräsenz, auch in den intimen Momenten ist er niemals peinlich, obwohl er uns in sein Innerstes blicken lässt. Manche Moves kommen bekannt vor, natürlich, Belén Maya und Israel Galván sei Dank, aber man hat niemals das Gefühl einer Imitation, er sieht sie, nimmt sie und wandelt sie dann in etwas absolut eigenes um. Wie es große Künstler eben so tun.

Francisco Hidalgo

„Moscas y diamantes“

12.11.2022

Teatro Vicente Espinel

Ronda

Fotos: marcosGpunto

Text: Susanne Zellinger