Das erste Wochenende ist vorbei und die Welt steht noch, obwohl die Gefühle gewaltig gebeutelt wurden. Zuerst von Ana Morales und ihren Gefährten und am Sonntag von José Galán und Lola López.

Vor allem bei „Sueños reales de cuerpos posibles“ wurde viel offen gelegt und angesprochen, viele Fragen, die sich im Tanz immer wieder stellen, beginnend mit der grundlegenden „Was ist Tanz?“ der zweiten „Ist das Tanz?“ und der dritten „Muss das sein?“.

Für die Antwort auf die erste Frage schlagen Sie bitte im Wörterbuch nach, für die Antwort auf die zweite Frage gehen Sie zum Club der „Was ist Kunst?“ Freunde, denn eigentlich ist nur die dritte interessant.

Und die Antwort auf die dritte Frage besteht eigentlich nur aus Fragen, die alle mit „Ja“ zu beantworten sind. Also los geht’s:

Ist es als Grund ausreichend, etwas zu performen, wenn das Problem nur für die Künstler selbst eines ist?

Darf das Publikum provoziert werden?

Dürfen gesellschaftliche Tabus gebrochen werden?

Darf ein Stück schön sein?

Darf ein Stück hässlich sein?

Darf es Emotionen wecken?

Ist es erlaubt zu lügen?

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Die Reihe dieser Fragen ist beliebig fortzusetzen und viele von ihnen stellten sich am Sonntag Abend. Viele wurden aber auch beantwortet. Lola López hatte Kinderlähmung und ist auf den Rollstuhl angewiesen, sie tanzt schon lange Contemporary und lernte José Galán bei einem Kurs kennen, ihre Zusammenarbeit ist noch neu, ein Jahr arbeiteten sie an diesem Stück, das sich immer noch verändert. Ihre Behinderung ist offensichtlich, da gibt es nichts zu verheimlichen, umso berührender ist die Schönheit und die Intensität ihres Gesichts, und da beginnt sich dann schon alles zu verschieben: Lola ist schön, sie ist intelligent, feinfühlig und humorvoll, sie ist mutig, freundlich, großzügig und talentiert. Ist das nicht genug? Müssen wir immer alles haben?

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José Galán ist ein begabter Tänzer, er hat in großen Kompanien getanzt und gilt als Pionier des Flamenco inclusivo, er ist Dichter und ein hervorragender Sänger, er ist mitfühlend aber kompromisslos und arbeitet seit vielen Jahren mit psychisch und physisch beeinträchtigten Menschen jeden Alters und zwar nicht hinter verschlossenen Türen sondern auf der Bühne. Sein eigenes Thema, seine Homosexualität war über Jahre nicht so offensichtlich wie Lolas Behinderung und dennoch hinderte sie ihn lange daran sein Leben zu leben, so wie er es wollte.

In ihrem Stück geht es um beide, nicht um ihre Probleme, sondern um die Überwindung derselben, also könnte man den Titel auch umdrehen: „Sueños posibles de cuerpos reales“ wäre auch zutreffend. Dass man bei einem so sensiblen Thema manchmal in Gefahr gerät zu pathetisch zu werden oder dass das Gefühl die Oberhand gewinnt, ist klar, aber damit kann ich leben. Großartig waren übrigens Soundtrack und Videoprojektionen. Und überhaupt.

José Galán und Lola López: „Sueños reales de cuerpos posibles“

Tanzhaus nrw, 14.04.2019

Fotos: Albrecht Korff

Text: Susanne Zellinger