Flamenco para todos

Mit dem Ziel, der Kunst die Möglichkeit zu geben, die Gebiete um die großen Städte herum zu erreichen und in kleineren Sälen zu spielen, fand die dritte Ausgabe des FFMM während mehr als einer Woche statt, wobei große Figuren des spanischen Flamencos mit namhaften französischen Künstler:innen in Castelnau-le-lez, Vendargues, Le Crès oder Clapiers, Gemeinden, die zur großen regionalen Metropole Montpellier gehören, zusammenkamen. Die Vielfalt der Darbietungen und Kurse machte es möglich, Aficionados aus der Region und darüber hinaus anzuziehen.

Der Tanz spielte die Hauptrolle

Die Tanzakademien der Region sind eine gute Quelle für Talente und ermöglichten die Präsentation einiger junger, begabter Tänzerinnen und Tänzer, insbesondere Pauline Adela, die zum ersten Mal die Bühne betrat. Sie präsentierte bei der Eröffnung des Festivals Tientos und Alegrías – was für eine Verantwortung! Am letzten Tag führten die Schüler von Laura Clemente Seguiriyas und Rondeñas auf und bewiesen damit die Exzellenz des Unterrichts ihrer Lehrerin. Wir freuten uns auch über die Rückkehr von Melinda Sala, die sich die Bühne mit Jaïro Barrull teilte, immer elegant und kraftvoll. Die junge Céline Daussan La Rosa Negra und die Kompanie Ojalá repräsentierten den Tanz der Frauen, wie er in den Mittelmeerländern verstanden wird.

2 Pauline Adela

Erinnerungen an den Sacromonte

Am ersten Abend erstrahlte Claudia La Debla, das Wunderkind, das inzwischen zur Frau wurde, in hellem Glanz. Die Kraft ihrer Energie und Sinnlichkeit erreichte selbst diejenigen, die nichts über Flamenco wussten. Die Tänzerin aus Granada entfaltete ihren ungezügelten, organischen, leuchtenden Tanz, und es fehlte nur noch Gustave Dauré, um das Bild dauerhaft einzuprägen. Die Höhlen von Granada halten sie nicht in einem Tanz für Touristen gefangen, ihre künstlerische Sensibilität und ihre Jugend suchen nach mehr Tiefe, Respekt für den Gesang und Verbindung mit dem Gitarrenspiel. Sie bewegt sich fließend zwischen Drehungen und Zapateados, sie versteht es, das Publikum zu fesseln, webt Momente reinen Rhythmus mit Fingerschnalzen und sanftem Klatschen, nimmt alles nach und nach in Besitz, meisterhafte Jaleos und Tarantos, mit einem Finale in Tangos de Graná, natürlich

3 Barrull 1

Männersache

Am nächsten Tag war die Reihe an Jaïro Barrull. Der Tänzer aus Morón präsentiert weiterhin seinen sehr farbenfrohen und männlichen traditionellen Tanz. Er kommt wie ein Eroberer in ein Land, das er als sein eigenes betrachtet, das Herunterziehen der Jacke über die Schulter ist sein Erkennungsmerkmal. Sein Taconeo ist einer der kraftvollsten, seine Sprünge gekonnt, ganz im Sinne des Stierkampfes in Cádiz und an Farruco erinnernd in seiner „Soleá por bulería“. Zur Freude der Cante-Liebhaber sang Emilio Cortés seine Fandangos, El Bocata huldigte Enrique Morente mit einigen bewegenden Tangos und erinnerte am Ende der Fiesta mit einem Ausschnitt seines Hits „Gitana“ por Bulería an Manzanita.

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El Carpeta wie ein Rennpferd … mit Zaumzeug

Am Abschlussabend präsentierte das Festival Manuel Fernandez Montoya , den Dritten im Bunde der Farrucos, ganz im Stil des Großvaters. Als gute Erben treten die Söhne von Farruca und El Moreno in seine Fußstapfen, jeder mit seiner eigenen Persönlichkeit. Aber zu dem aufrechten und wilden männlichen Tanz kommen noch das fliegende lange Haar und die weiten Jacken hinzu. Während der Älteste, Farruquito, mit dem Alter seine natürliche Eleganz nicht verloren hat, seine Sprünge mildert und mehr zum Cante tanzt, setzt der Zweite, El Farru, weiterhin seine Kraft als hyperaktiver Galan ein. Was blieb für Manuel, den kleinsten? Natürlich nur das Beste. Er ist massiver als seine Brüder, aber genauso kraftvoll. Er tanzt wie sein Großvater auf engem Raum und verbirgt sein Gesicht hinter dem Vorhang seiner Haare: „Ich stamme von Manuel Farruco ab, und das sieht man an meinem Gang“, sagt er. Mit akrobatischen Remates, Carretillas wie Maschinengewehre, Sprüngen und Desplantes fehlte es an nichts bei Seguiriyas, Cantiñas und Bulerias. Aber alles in aller Ruhe und Gelassenheit, keine Hektik! Während und zwischen den Tänzen geht er auf der Bühne umher, sitzt bei der Gruppe, singt sogar mit ihr, plaudert mit seinen Begleitern, erinnert an seine Kindheit und gibt seinem Stück das Gefühl von Zuhause. Er will sich dem natürlichen Flamenco annähern, dem der Familienfeste, voller Geselligkeit und Spontaneität, dem, den er von der Wiege an aufgesogen hat, dem, der seine Kunst geprägt hat. Das Ensemble klingt wie eine ständige Hommage an die großen Künstler der Vergangenheit. Er genießt die gemeinsamen Momente mit Cantaor Ezequiel Montoya , Manuel Lozano El Lolo, an der Perkussion, Jesús Rodriguez an der Gitarre und Melchor Borja am Keyboard, wie eine Büchse der Pandora, die, einmal geöffnet, nicht mehr geschlossen werden kann, und das nostalgische Zwischenspiel mit ein paar Liedern von Quilate. Für diejenigen, die die Gruppe aus den achtziger Jahren nicht kennen, könnte es eine leuchtende Offenbarung oder eine ziemlich lange Exkursion sein

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Die Show beginnt und endet damit, dass Manuel an seinem Schreibtisch sein Credo verkündet: „Así Mismo yo aprendí … jugando … así mismo lo pienso … caminando…. cuando baila mi corazón me acuerdo siempre que soy gitano“ -So habe ich gelernt … spielend … so denke ich … auf meinem Weg … wenn mein Herz tanzt, erinnere ich mich immer daran, dass ich Gitano bin-. Diese interessante Inszenierung richtet sich eher an ein sachkundiges, spanischsprachiges Publikum als an einen respektablen Außenseiter, der den Flamenco entdeckt, aber die Stärke der Kunst, die Qualität der Besetzung und die Anziehungskraft von Carpeta bekamen einen wohlverdienten Beifall, den der Bailaor mit großer Freude entgegennahm und das Publikum um einen weiteren Moment für ein Selfie und eine Aufnahme für das Video der Tournee bat. Flamenco und soziale Netzwerke, ein Thema für eine Studie?

Der Erfolg gibt immer recht

Das Festival war ein voller Erfolg, denn einige der Aufführungen mussten sogar wiederholt werden, um die Nachfrage zu befriedigen. Die Atmosphäre ist sehr angenehm, ebenso wie das Organisationsteam, das aus überzeugten Amateuren besteht und von Alexis Laurens mit einem strahlenden Lächeln geleitet wird, der immer in Bewegung ist, aber effizient arbeitet. Die nächsten Ausgaben werden eine solide Verankerung in der Region und ein künstlerisches Angebot bestätigen, das auf Vielfalt und Authentizität achtet. Ein kleines Festival, das bald zu einem großen Festival werden wird, ein weiteres in Südfrankreich, dem Land der Aficionados, aber mit einer ganz eigenen Note, ist noch im Entstehen. Was für eine Freude!

Text : Dolores Triviño

Fotos : Alain Scherrer

Übersetzung : Susanne Zellinger

https://festivalflamencomontpellier.fr/