Ohne Pauken und Trompeten aber mit einer großartigen Mischung aus Musik und Performance startete am Wochenende das Flamencofestival in Luxemburg. Für manche Besucher war es zu wild, zu laut und zu „Was ist das denn?“, für alle anderen aber ein rauschendes Fest und ein Loblied auf die vielfältige und lustvolle Welt des zeitgenössischen Flamenco.

ROCÍO MÁRQUEZ - FOTOGRAFÍA PACO LOBATO

Die beiden Brüder Pedro und Benito Jiménez sind „Los Voluble“ und haben einen ganz alten Leitsatz von mir bestätigt, den viele Menschen immer wieder missverstehen. Er lautet: “Schönheit genügt“. Wenn man jedoch Schönheit mit „Hübsch anzusehen“ oder „Sehr attraktiv“ usw verwechselt, funktioniert das natürlich nicht. Was ich meine ist die unglaubliche Schönheit einer gut gemachten Arbeit, bei der alles stimmt: Das Setting, der Sound und die Aussage. Wenn es dann noch Momente gibt, bei denen man herzlich lachen muss, wie bei einer der Videoprojektionen, in der eine empörte Frau einen Priester von der Bühne stößt und er völlig verblüfft hinunter fällt oder wenn in einer Videomontage ein Dinosaurier den Stier in der Arena ersetzt, ist das ungeteilte Vergnügen garantiert.

LOS VOLUBLES & ROCÍO MÁRQUEZ - FOTOGRAFÍA PACO LOBATO

Sie machen vor nichts halt und Angst ist ihnen fremd. Sie legen sich mit allen an und es gibt Menschen, die sie nicht so nett finden, aber das bringt so eine Arbeit wohl mit sich. Die Mischung aus Flamenco, elektronischer Musik und Rave-Beats sind elektrisierend und mit „Flamenco is not a Crime“ setzen sie völlig neue Maßstäbe.

Begonnen hat der Abend jedoch mit Raul Cantizano und seiner „Zona acordonada“ und seiner vergnügten Gitarre, die sich von kleinen Ventilatoren vorantreiben lässt und auf der Raúl wie auf einem Xylophon die Saiten schlägt.

RAÚL CANTIZANO - FOTOGRAFÍA PACO LOBATO

Er spielt mit Sabicas im Duett, läßt ein kleines Hämmerchen den Compás markieren und verabschiedet sich mit drei Gitarren auf drei Stühlen.

Im zweiten Teil ist Rocío Márquez die Protagonistin. Sie erscheint aus dem Nebel und beginnt mit einem Satz von Hope Jahren: „ Unsere Städte müssen wieder einmal die Last des Unkrauts tragen, das gnadenlos Risse aufreißt“. „La Costilla de Rocío“ heißt die Konzert- Performance mit Bildern von Manuel León inmitten von einem extra herbei geschafften Pflanzendschungel in dem sie sich bewegt mit der Sicherheit einer Königin und uns Wahrheiten ins Gesicht schleudert, die wir gar nicht hören wollen wie „Die Träume gehören uns nicht mehr und das Wasser gibt es nur mehr in der Flasche – wie soll man da noch träumen….“.

RAÚL CANTIZANO & ROCÍO MÁRQUEZ - FOTOGRAFÍA PACO LOBATO

Ein außergewöhnlicher Eröffnungsabend in der Kulturhauptstadt Esch sûr Alzette, ein Paukenschlag, der hoffentlich Schule macht. Wenn schon, denn schon!

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„Flamenco is not a crime“

Kulturfabrik Esch, 06.05.2022

Flamenco Festival Esch

https://kulturfabrik.lu/project/flamencofestival-esch

Fotos: Paco Lobato

Dank an Círculo Antonio Machado

Text: Susanne Zellinger

Foto Flamenco is not a crime: Susanne Zellinger