Nur wer brennt, lebt wirklich

Mercedes de Córdoba hat schon mit ihrem letzten Stück „Ser, ni conmigo ni sin mí“ gezeigt, dass sie eine der großen Tänzerinnen des zeitgenössischen Flamenco ist. Mit „Sí, quiero“ tut sie einen riesigen Schritt in Richtung Choreografie, der sie in die allererste Reihe katapultiert.

Entstanden in Zeiten der Pandemie, in der sich viele Künstler auf kleine Formate zurückziehen tut sie genau das Gegenteil: sie vergrößert ihre Kompanie und wählt aus den 140 Tänzerinnen, die sich bei den Auditions präsentierten vier aus in einem emotiven Selektionsprozess. In Zeiten wie diesen ein mutiges Statement. Und der Erfolg gibt ihr Recht: mit Standing Ovations verabschiedete das Publikum im Teatro Villamarta ein großartiges Werk zeitgenössischer Tanzkunst, bei der das Genre keine Rolle spielt.

©Javier Fergo

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Gleich zu Beginn gibt es einige Referenzen an den modern Dance wie die slapstickartigen Wiederholungen bestimmter Gesten, die Eroberung des Bodens als Bewegungsraum oder das Einbinden der Haare als dramaturgisches Element.

In einer musikalischen Fantasie mit Anleihen an klassische Komponisten bewegen sich vier Mädchen hinter einem Paravent hervor, sie fließen sozusagen in den Raum, sie schweben in zierlichen Schritten, sie schauen zurück aber sie gehen entschieden vorwärts, sie sind jung und nichts kann sie aufhalten. Sie gehen mitten ins Leben und schicken eine Botschaft voraus, die die Essenz von „Si, quiero“ zu Tage bringt: „Solo vive quien arde.“ Der letzte Satz aus dem Gedicht „Una mujer que muestra su verded“ von Braulio Ortiz Poole, das er der amerikanischen Schauspielerin Frances E. Farmer gewidmet hat, einer mutigen Frau, die sich weigerte naive Rollen zu spielen und lautstark ihre politischen Ansichten vertrat und dafür in eine Nervenheilanstalt eingeliefert wurde, eine im letzten Jahrhundert gängige Praxis für „hysterische Frauen“.

©Javier Fergo
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In der Soleá, die Geschichte machen könnte, zeigt Mercedes de Córdoba dann, was ein Tanz alles sein kann. Begleitet vom mächtigen Gesang von Enrique el Extremeño und der Gitarre von Juan Campallo – was für ein junger Meister dieser so schwierigen Zunft – legt sie die Latte für diesen Palo ziemlich hoch. Was für eine Präsenz, was für eine Kraft, welche Schönheit und was für eine Beherrschung der Bühne! Sie stellt sich dem Stier entgegen und bringt ihn zu Fall, aber mit welcher Eleganz und Entschiedenheit! Sie ruht in sich und gibt dennoch alles her. Sie ist eine helle Flamme, die weithin leuchtet.

©Javier Fergo
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Auf eine Seguiryia, gesungen von Jesús Corbacho und Tarantos folgt eine wunderschöne Petenera von Pepe de Pura umschmeichelt von Cristina Soler und dann ist Schluss mit der Ruhe.

In einem unterhaltsamen Hochzeitsbankett wird mit all dem vorhandenen Haushaltsgerät inklusive Tellerballett ein Fest gefeiert mit zwei hochkarätigen Kellnern, Paco Vega und El Oruco, eine Ode an das Leben.

Das Ende naht mit Riesenschritten, aber das Fest geht weiter in einer bezaubernden Alegría mit Bata de Cola von Mercedes und einer Herz zerreißenden Milonga, gesungen von Pepe de Pura – Rosa por Dios no me llores, yo tengo mi pensamiento, cautivo de tus amores.

Und ja, jetzt hätte ich doch fast die Rose vergessen, die rote Rose, diesmal im Knopfloch von Jesús Corbacho, die rote Rose als Zeichen der Leidenschaft, der körperlichen Liebe, der Hingabe und des Feuers, des Feuers , das wärmt aber nicht verbrennt. Und genau das ist Mercedes de Córdoba. Sie lebe hoch!

„Sí, quiero“

Mercedes de Córdoba

04.03.2022 Teatro Villamarta

Fotos: Javier Fergo

Text: Susanne Zellinger