Seises

Mit einem Blümchen im Haar, einer Glöckchenjacke, zwei verschieden langen Hosenbeinen, nackten Schenkeln und orangen Flamencostiefeln beginnt Israel Galvan seine geflüsterte Sevillanas Interpretation des Klassikers ‚Sevilla tiene una cosa, que sólo tiene Sevilla …’

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bevor er sich auf den in der Mitte der Bühne stehenden Hometrainer schwingt und ein paar fiktive Runden dreht. Inzwischen spielt Daria van den Bercken unbeirrt ihre Sonaten von Domenico Scarlatti und lässt sich auch nicht aus der Ruhe bringen, wenn Israel sein Standrad inklusive schwarzer Bata hinter sich her und quer über die Bühne schleift.

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Die nervtötende Helena Astolfi – sie hat ja nun wirklich eine undankbare Rolle – wirft ihm seine ganze Unkenntnis was den Flamenco betrifft in unbeteiligter Stimme vor die Füße, auch das mögen Erinnerungen aus der Kindheit sein, genauso wie die Seises, sechs Jüngelchen, die in der Kathedrale von Sevilla an drei Tagen im Jahr ihre traditionellen Tänzchen zeigen, im Originalgewand aus dem XVI Jahrhundert.

Israel hat es besonders das Relevé angetan, bei dem man sich auf beide Zehenspitzen erhebt, leicht auf und ab wippt um sich dann wieder auf den Fersen nieder zu lassen. Eine überaus entzückende Bewegung, die er ungezählte Male wiederholt, zur Erbauung des Publikums.

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Er versucht auch, die Kastagnetten zu spielen, was ihm von der ewigen Spielverderberin Helena wieder vergällt wird, aber dafür spielt sie Ramón Martínez, dieser wunderbare, diskrete, begabte Tänzer, den man viel zu selten sieht.

Israel Galván hat ihn ja nicht umsonst zu sich geholt und lässt ihn nicht mehr gehen. Die beiden ergänzen sich in wunderbarer Weise, und ich habe mich selten so wenig gelangweilt. Ramón Martínez ist ein hervorragender Tänzer, er ist aber auch witzig, ohne dass es aufgesetzt wirkt, hat den nötigen Ernst, wenn es gefragt ist, die schwarze Bata steht ihm ausgezeichnet und wenn er singt gefällt es uns auch.

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Nach einer langen Rezitation von grausamen Ritualen schreit er und man ist ihm dankbar, auch Israel Galván hat genug und stampft wütend über die Bühne. Die Rettung naht in Form eines weiß gewandeten Kinderchors, Israel hört zuerst zu und tanzt noch einmal, nur ein wenig, sehr poetisch, sehr gefühlvoll und dann war es aus und wir gingen nachhaus.

Na gut, das war jetzt gelogen, denn in der Bar Manzanilla warteten noch weitere Vergnügungen auf uns und verlängerten den Höhenflug. Denn es war schön. Und gut.

Israel Galván: ‚Seises’

Testro Villamarta, 08.03.2023

www.festivaldejerez.es

Fotos: Esteban

Text: Susanne Zellinger