Nach einem denkwürdigen Wochenende mit Farruquito in Düsseldorf habe ich beschlossen, dass ich nicht warten kann, bis die nächste ANDA herauskommt um zu berichten, es muss sofort sein, die Geschichte brennt mir unter den Fingern.

Juan Manuel Fernández Montoya, Farruquito, trat an zwei Abenden im Tanzhaus auf und alles war wie immer: nach wenigen Augenblicken hatte er das Publikum gefangen und er ließ es nicht wieder los, bis der letzte Ton verklungen war und die Zuschauer sich von den Sitzen erhoben um ihn noch um ein Fin de Fiesta zu bitten, das er natürlich nicht verweigerte, ganz im Gegenteil. Großzügig, wie er ist, spielte er auch noch Gitarre und bedankte sich bei allen vor und hinter der Bühne.

Worüber viel zu selten berichtet wird ist, was sich abseits der Bühne abspielt, wie die Künstler als Menschen sind, im Umgang mit anderen, im Unterricht oder bei den Publikumsgesprächen. Die Masterclass von Farruquito ist eigentlich eine Pflichtveranstaltung, für die man Eintrittskarten verteilen sollte, so schön, so lehrreich und authentisch wie er sich hier zeigt, bleibt in Erinnerung, wenn man dabei gewesen ist. Viele Geschichten, die er erzählt, beschreiben den kleinen Jungen, der er einmal gewesen ist, umgeben von all den großen Meister/innen, mit denen er schon mit fünf Jahren auf der Bühne stand und wie viel Kraft und Disziplin es ihn gekostet hat, dahin zu kommen, wo er heute steht.

Oft kam er nach dem Unterricht mit seinem Großvater weinend nachhause und seine Mutter musste ihn trösten, denn er war einfach erschöpft. Er musste früh aufstehen und in die Schule gehen und nach der Schule ging es jeden Tag ins Studio zum Üben und Lernen. „Ich musste furchtbar viel üben, meinem Bruder Farru fiel das viel leichter, er sah die Schritte nur aus der Ferne und konnte sie schon. Ich nicht, ich brauchte viel länger“ erzählt er lächelnd und „Manchmal, wenn ich von der Schule kam und todmüde war fragte mich mein Großvater, ob ich müde sei und ich verneinte, aus Respekt, aber er wusste es natürlich und dann legte er mir eine Videokassette ein und ich konnte mich ausruhen.“ Dieser Respekt, den er vor seinem Großvater hatte, kennzeichnet ihn auch im Umgang mit seinen Schüler/innen, bei denen er sich sogar entschuldigt, wenn er sie um Ruhe bittet. Wenn er korrigiert, dann hat das eine gewisse Zärtlichkeit und sein Lächeln ist wie ein Geschenk. Aber am Wichtigsten ist wahrscheinlich, dass er an das glaubt, was er sagt. Die Ruhe, die er fordert, strahlt er selber aus, die Natürlichkeit, die er verlangt, beweist er bei jedem Schritt, „Ihr müsst natürlich sein, tanzt, wie ihr geht, macht keine Gesichter, keine Posen, der Flamenco braucht das nicht. Denkt an Enrique el Cojo, er war klein, dicklich, hatte eine Glatze und ein kürzeres Bein und er war einer der bedeutendsten Maestros der Geschichte!“

Am Abend nach der Vorstellung setzt er sich dann noch aufs Sofa um die Fragen des Publikums zu beantworten und wieder überrascht seine Natürlichkeit, aber auch seine Ernsthaftigkeit, er hört zu, er ist aufmerksam und respektvoll, elegant und nur am Verhalten seiner Künstlerkolleg/innen erahnt man seine Autorität. Er ist der Chef, das ist klar, aber er wird geliebt. Wenn er nach dem Publikumsgespräch noch um Fotos gebeten wird, hat er auch dafür noch Zeit, natürlich. Dann geht er nachhause, aber zuvor stellt er noch kurz den Koffer ab und kommt zurück um sich bei mir zu bedanken, wofür auch immer. ¡Olé y olé, Principe, que vuelvas pronto!

Foto: Klaus Handner