Beim Festival in La Puebla beeindruckte El Perla wieder durch sein grandioses Spiel. Daher aus gegebenem Anlass das Interview, das Silvia Cruz mit ihm in Barcelona führte.

Wo alles begann

„Hier hat alles begonnen“, sagt er und zeigt in Richtung des Meeres, auf die Ramblas in Barcelona, voll von halb gekleideten Touristen, die mehr unter der Stadt zu leiden scheinen, als sie zu genießen. „In dieser Stadt bin ich zum Künstler geworden“. Er steht vor der Tür zum Teatro Capitol, weiße Hose, dunkles Hemd und die langen Locken zu einem Knoten hochgesteckt. Die Hände eines Gitarristen sind wichtig und als er mit dem Finger auf die breite Straße zeigt, die ihn empfangen hat, als er nach Barcelona kam, leuchten seine porzellanweißen Nägel. „Die macht mir ein Chinese, der nebenan wohnt. Bei 2 Vorstellungen am Tag brauche ich das ganz schön oft.“ El Perla hat diese Gitano Aura und klare Vorstellungen vom Flamenco: „Jeder hat so seine eigenen Ideen, aber diese Kunst erlaubt nur wenige Erfindungen. Sie ist ein Erbe, dem wir oft den Respekt verweigern.“

El Perla bekam den Namen von seiner Familie: „Als ich klein war, war ich ein ziemlicher Schlingel. Eine wahre Perle. Und der Name gefiel mir so sehr, dass ich es zur Bedingung machte, dass er immer auf den Ankündigungen stand, ohne Vor- und Nachname.“ Er sieht den Flamenco nie als Beruf, sondern als eine Lebensart, er ist El Perla für seine Fans wie für seine Kinder. „Meine kleine Tochter nennt mich Papa Perla“ sagt er und er liebt es.

Wenn El Perla sagt „Hier hat alles begonnen“, entspricht das nicht ganz der Wahrheit. El Torombo brachte ihn mit 19 Jahren nach Barcelona, aber da hatte er schon 4 Jahre lang gespielt, für eine Legende wie Chocolate. Es hatte ihn Anstrengung, Schweiß und Angst gekostet. „Als Chocolate mich bat ihn zu begleiten, wollte ich nicht, ich fühlte mich noch nicht bereit.“ Ähnliches sagte er von den Farrucos. „Eines Tages fragte mich El Moreno, der Vater von Farruquito, ob ich sie nach Amerika begleiten wolle. Ich fuhr mit, aber ich war gelähmt vor Angst für diese Familie zu spielen, mit der Kraft, die sie hatten. Der Angstschweiß stand mir auf der Stirn und ich starb fast vor Nervosität.“ Aber er lacht, als er es erzählt.

Das Tablao, seine zweite Heimat

El Perla wuchs im sevillanischen Viertel La Macarena auf und lernte Gitarre zu spielen ohne Lehrer, aber er hatte gute Ohren. Heute hat er keine Angst mehr. „Ich gebe keinen Unterricht, ich bin ein Schüler, ich muss noch viel lernen. Auch wenn heute jeder eine Master Class gibt.“ Er spricht klar und deutlich. Er glaubt nicht an Wettbewerbe, weil er es missbilligt, dass jene die Preise bekommen, die gerade ihre Karriere begonnen haben. Es gibt mehr Dinge, die ihm nicht gefallen und er spricht sie an, aber ohne Bitterkeit. „Der Flamenco ist heute wie eine Talenteshow im Fernsehen. Da wird einer entdeckt, ein Werbekonzept entwickelt und schon ist er ein Star. Dabei hat er sich noch gar nicht bewiesen. Der Flamenco ist eine Musik, die einen Boden braucht, eine Essenz.“

Er findet, dass der Flamenco heute eingegrenzt ist von Moden, die ihm schaden. „Als moderner Flamenco musst du dir die Zigaretten selber drehen.“ Für ihn ist der Flamenco eine Art zu leben und keine Mode Erscheinung.

„Ich bin um 6 Uhr Morgens schlafen gegangen“ sagt er, gefolgt von einem Scherz über die Arbeitszeiten der Künstler, von denen man glaubt, dass sie nach dem Auftritt von Kneipe zu Kneipe ziehen. Aber es ist natürlich ganz anders: „Wenn ich nach dem Spielen nach Hause komme, ist mein Adrenalispiegel hoch. Darum gehe ich dann ins Studio, schwimme oder schaue mir einen Film an und so kann ich mich langsam entspannen.“ Er ist mit einer Cantaora verheiratet, Eli de Santiago, die das versteht. „Manchmal, wenn ich übe, spielt mein Sohn in seinem Zimmer Gitarre, Eli singt und meine Kleine tanzt. Eine reine Freude.“

Wir sitzen mitten im Trubel der Ramblas und El Perla hält sich bedeckt, wenn er über Privates erzählen soll. Ganz anders auf der Bühne, wie wir wenig später im Tablao del Carmen sehen sollten, wo er immer spielt, wenn es ihm seine zahlreichen Verpflichtungen erlauben.

© fidel meneses

Por Soleá

Bei Tageslicht sind die Flamencos anders. El Perla kommt zum Tablao im Poble Espanyol, diesmal umgekehrt, dunkle Hose, weißes Hemd und offene Mähne. Er wird den Tänzer Manuel Jiménez „Bartolo“ begleiten. „Hier spiele ich und stelle mich auf die Probe. Es ist nicht leicht, zweimal hintereinander mit der gleiche Frische aufzutreten.“

Es ist ein Sommerabend und bei der ersten Vorstellung ist es noch hell. Soviel Licht tut dem Flamenco nicht gut. Im Schutz der Dunkelheit sehen manche Posen besser aus, das wissen die Künstler auf dem Podium. Sie erfüllen ihren Auftrag und machen den Abend für die Touristen angenehm. Aber erst beim zweiten Durchgang wird klar, warum die Leute die Gitarre von El Perla so schätzen. Er hat alles unter Kontrolle und genießt es. Er beherrscht die Szene, geleitet Pepe de Pura und La Tana durch den Cante, fängt den Schlag ihres Mantons mit seine Rhythmus auf ohne aus dem Takt zu geraten. „Ich wollte nie Konzertgitarrist werden, ich liebe es, den Gesang und den Tanz zu begleiten.“ Das bestätigt er immer wieder, in den Tablaos aber auch bei seinen zahlreichen Bühnenauftritten bei Konzerten und Festivals.

Die Künstler lieben seine Begleitung wegen seines sicheren Compás, seiner Beherrschung des Rhythmus und seiner umfassenden Kenntnisse des Flamenco. Mit seiner meisterhaften Begleitung der Soleá hat er sich einen Namen gemacht. „Wenn ich daran denke, welche Probleme ich am Anfang mit diesem Palo hatte. Und heute darf ich sogar die Soleá der Farruca begleiten, da bekomme ich jedes mal eine Gänsehaut.“

Sogar die Cantaores aus Jerez verlangen nach ihm. „Und die sind ja sehr eigenwillig“, sagt El Perla lachend. „ Aber dass mich die Künstler selbst anrufen, nicht irgendwelche Manager oder Repräsentanten, das macht mich schon stolz.“

Flamenco ohne Zugeständnisse

Nach der Show kommt er um sich zu verabschieden. Umgezogen, mit offenen Haaren und noch etwas verschwitzt. „Das ist mein täglicher Kampf“, sagt er stolz.

Dieser Mann hat die Größten gekannt und mit ihnen gespielt, wie Diego und Juan del Gastor, er hat Bernarda und Fernanda de Utrera begleitet, auch Lola Flores bei ihren sevillanischen Juergas in der Bar von Antonio El Cordobés und er wuchs in der Hitze der Peña Torres Macarena auf. Gemeinsam mit José Maya schuf er das Stück „Latente“ für niemand geringeren als José Valencia, Rubio de Pruna und Juana la del Pipa. Mit der Musik, die aus seinen Fingern fließt leitet er die ganz Großen.

© fidel meneses

Der gleiche Mann, der jeden Abend im Tablao voll von Ausländern spielt, die nicht einmal seinen Namen kennen. Das ist ihm egal, er hat Disziplin gelernt, als er Mario Maya beim Proben zusah und durch einen Satz von Farruco, der sich in sein Gedächtnis gebrannt hat: „Eines Tages fragte ich ihn, warum er so still stehen blieb, wenn er die Bühne verließ. Niemand konnte ihn mehr sehen, aber er verharrte in seiner Pose ohne sich zu bewegen. Und er antwortete: „Weil ich mich sehen kann.“ Und das ist für Er Perla wie ein Gesetz. Er spielt immer mit der gleichen Disziplin, egal wer ihm zuhört. Im Tablao, auf einem privaten Fest, beim letzten Festival in Albuquerque oder im Madison Square Garden. Und er verlangt das gleiche von seinen Begleitern.

El Perla konkurriert nicht und er gibt keinen Unterricht, weil er noch viel zu lernen hat, wie er sagt, aber er weiß, dass er sich in einem bedeutenden Moment seiner Karriere befindet, wo nur ein kleiner Schubs fehlt und er ist ganz oben. Er wechselt zwischen großen Bühnen und den Tablaos in Barcelona, einer Stadt mit zu vielen Touristen und zu wenig Unterstützung für den Flamenco. „In Sevilla fragen sie mich immer, was ich denn in Barcelona mache und ich sage: ‚Leben’“. Er gibt zu, dass er gerne mehr auf den großen Festivals im In-und Ausland spielen würde, aber auch, dass er nicht bereit ist, Konzessionen zu machen. „Ich weiß, welchen Flamenco ich verteidige und auch, dass manche das für antiquiert halten.“

Während er das sagt, zündet er sich eine Zigarette an. Aber keine zum Drehen.

 

1.10.2015, Silvia Cruz Lapeña, erschienen bei www.deflamenco.com

Fotos: Fidel Meneses