David Palomar ist einer der Cantaores der Zukunft. Authentisch, ungekünstelt, der Tradition verhaftet und modern. Außerdem ein Performer der Extraklasse. Ihn auf der Bühne zu sehen ist immer ein Vergnügen. Aber genau das macht ihm manchmal Probleme, wenn seine Jondura, seine Tiefe angezweifelt wird. Flamenco divino traf ihn in Düsseldorf zum Interview.

Bei unserem letzten Interview trugst du noch eine Zahnspange

Ja stimmt, das war, als ich die CD „La Viña. Cantón independiente“ herausbrachte, die war schon ein bisschen anders, aber damals hatte ich noch keine gute Plattenfirma.

Das hat sich jetzt ja geändert, deine neue CD „Denominación de orígen“ ist ziemlich erfolgreich

Ja, das stimmt. Außerdem ist im Flamenco heute das Traditionelle fast schon modern. Der Flamenco entwickelt sich, aber das Experimentelle ist nicht immer stimmig. Man kann das nicht forcieren, sonst wird es artifiziell. Ich komme aus Cádiz und fühle mich meiner Stadt und seinem Cante verpflichtet.

Ich finde dich sehr modern

Meine Quelle ist die Tradition, aber ich habe meine eigene Persönlichkeit, ich habe meine Art mich mitzuteilen und will nicht sein wie…. . Man muss die Dinge aus der Vergangenheit hervorholen und sie modern machen, damit man auch die Jungen anspricht und die, die nicht mit dieser Musik aufgewachsen sind.

Da haben es die Tänzer leichter

Du meinst Rocío oder Andrés, ja, klar. Im Cante gibt es da noch immer so etwas wie Scham oder Angst, weil die Aficionados hier doch noch sehr orthodox sind. Da gibt es einerseits Sänger wie Pitingo oder Cigala mit ihren Fusionsversuchen, die sind gut, und andererseits Enrique Morente, der den Flamenco von innen heraus revolutioniert hat.

Kann man das vergleichen?

Nein, Morente ist wie Camarón, wenn ich an CDs wie „Omega“ oder „Pablo de Málaga“ denke, so authentisch und sie hatten so eine Wirkung! Das muss ganz natürlich passieren, es muss aus dir heraus kommen.

Ich habe eine CD mit dem Titel „La Dama del Poncho rojo“ gemacht, eine Hommage an Chavela Vargas, mit Texten von ihren Autoren, mit ihrer Musik und ihrer Art zu singen. Aber das war eine Interpretation, keine Kreation. Das war es, was Enrique machte, er schuf Neues, er kreierte. So weit bin ich noch nicht, ich bin noch auf der Suche.

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Leicht ist das nicht

Oh nein, das ist sogar sehr schwer. Ich versuche aus meiner Tradition zu schöpfen, ich mache neue Bulerías de Cádiz, andere Alegría-Stile, eine andere Form der Nana. Ich schreibe neue Texte, das ist mir wichtig.

Wen gibt es denn im Cante, vielleicht Niño de Elche?

Na ja, das haben Manuel Gerena und El Cabrero schon vor 50 Jahren gemacht, Protestsongs, aber ja, das ist auch gut. Aber das war alles schon da. Heute kann man es mit DJ machen und früher hatte man die Gitarre. Da sind wir wieder da, wo wir vorher waren. Enrique war etwas besonderes, er war genial. Was er mit den bulgarischen Stimmen machte, mit den Trash Metal Bands, die Texte der Dichter und wie er sie verwendete… einfach genial!

Bei deinem letzten Konzert hast du Sevillanas gesungen, das ist doch Folklore, oder?

Ja, aber sie eignen sich gut um Geschichten zu erzählen, es war meine Hommage an die Großen, wie Manolo Caracol, Lola Flores, Carmen Amaya, Paco und natürlich Antonio Gades, da gibt es für mich ein davor und ein danach… Er hat mit Mario Maya den Flamenco verändert.

In den goldenen Jahren

Ja, aber wie gesagt, es ist nicht leicht und nicht jeder Künstler ist dazu fähig. Außerdem ist da auch die Angst, dass du keine Engagements mehr bekommst, es gibt noch viele Barrieren im Flamenco.

Du trittst jetzt wieder oft mit Mercedes Ruiz auf, die tanzt einfach „nur“

Mercedes ist eine Virtuosin auf ihrem Gebiet und natürlich könnte sie auch etwas anderes machen, aber das müsste von ihr selbst kommen. Können? Klar kann sie! Aber oft brauchen wir Künstler auch jemanden, der kommt und sagt „Lass uns das tun!“

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Das hat uns Santiago Lara ja gerade gezeigt mit seiner Pat Metheny CD

Oh ja, eine großartige Arbeit! Was für eine Komposition. Er macht einfach gute Musik, er erzählt eine Geschichte vom Anfang bis zum Schluss.

Ihr passt wirklich gut zusammen, aber kehren wir zu dir nach Cádiz zurück. Was ist da passiert?

Der Cante de Cádiz erlebte von 1920 – 1970 sein goldenes Zeitalter mit Aurelio Sellés, Manolo Vargas, Pericón, Chano Lobato, Mariana Cornejo, La Perla, Santiago Donday, die Dynastie der Jinetos und dann natürlich Rancapino, Pansequito und Camarón, das war die Hochblüte des Cante de Cádiz und dann passierte etwas ganz natürliches: Durch ihr Verschwinden entstand eine Lücke und die kann man nicht so schnell füllen.

Wir Jungen mussten da erst hineinwachsen, Ich, Mary Fernández, meine Frau Anabel Rivera, José und Encarna Anillo, Raúl Gálvez, Antonio Reyes und Rancapino hijo zum Beispiel. Viele Aficionados erinnern sich noch an die, die vorher waren und sie müssen erst verstehen, dass wir anders sind, sie müssen uns die Gelegenheit geben zu zeigen, was wir können. Auch dass der Cante de Cádiz nicht weniger wert ist, nur weil er fröhlicher ist.

Das Märchen vom „Cante Chico“, meinst du?

Ja, den gibt es doch gar nicht. Und der Cante gaditano ist vielleicht „gracioso“ aber dennoch künstlerisch anspruchsvoll. Muss ein guter Sänger immer tragisch sein, arm oder in der Schmiede stehen? Das ist wie bei den Filmpreisen. Den Oscar bekommen immer nur die Dramen, als ob es leichter wäre eine gute Komödie als ein gutes Drama zu machen, nein im Gegenteil, das ist sogar ziemlich schwierig. Und die Giraldillos bekommen auch immer die anderen, die Tragöden. Mit all meinem Respekt, den ich meinen Kollegen entgegenbringe, aber das ist einfach nicht gerecht! Und ich rede noch nicht einmal von der Lámpara minera.

 

Du hast doch auch einen wichtigen Preis bekommen

Ja, den Premio Nacional de Córdoba mit einer Jury, die sich sehen lassen kann, mit Fosforito, Manolo Franco, Calixto Sánchez, Matilde Coral, Faustino Núñez, für die war es wichtig, was ich vermittelte, dass ich die Menschen erreichte. Da gibt es ja auch Künstler, die Preise bekommen haben und keiner hört sie, niemand kennt sie.

Egal, ich will damit nur sagen, dass wir aufhören müssen, alles zu werten.

Noch einmal zurück zu dir, was hast du denn in nächster Zeit vor?

Ich habe ein sehr schönes Projekt mit Paco Cepero, für die Bühne, mit dieser großartigen Gitarre, diesem alten Klang, aber ich hole ihn natürlich auf mein Terrain.

Andererseits habe ich eine Schwäche für den Tanguillo und plane eine CD mit Tanguillos, aber mit verschiedensten Autoren, Instrumenten und Stilen, Pop, Rock, Copla, alles mit dem gleichen Rhythmus, aber du wirst schon sehen. Wir werden ihn „universalisieren“, mit Latinotouch, Streetmusic, wir tragen Cádiz in die Welt hinaus.

 

Na dann viel Spaß!

Vielen Dank!

Fotos: Albrecht Korff