Santiago Lara im Interview

Santiago Lara ist einer der interessantesten jungen Gitarristen aus Jerez. Mit seiner neuen Cd „Tribute to Pat Metheny“ ist er demnächst auch in Österreich zu sehen. Bei der Flamencobiennale in Holland und beim Intermezzo im Tanzhaus nrw wurde er als Begleiter von Mercedes Ruiz und David Lagos gefeiert. In Düsseldorf ereilte ihn jedoch der Schrecken jedes Gitarristen: Er zerbrach seine Gitarre.

Der Schreck von gestern sitzt uns noch in den Knochen, war das dein Alptraum?

Ich habe einen Alptraum, der immer wieder kehrt: Ich muss auf die Bühne und habe alles vergessen, jede Note und ich habe keine Ahnung, was ich spielen soll.

Was ist denn gestern passiert?

Ein absolutes Desaster, ich ging hinter die Bühne und bin gestolpert, es war dunkel und ich bin auf die Gitarre gefallen und hab sie in Stücke zerlegt, es war furchtbar.

Und die anderen sind ohne dich auf die Bühne gegangen…

Ja, weil sie großartige Künstler sind, absolute Profis. Ich war hinter der Bühne den Tränen nahe, meine Gitarre war kaputt und Mercedes sagte: „Los, auf die Bühne, wir machen die Alegría ohne Gitarre!“ Und das taten sie, einfach unglaublich! Und die Leute, die das Stück noch nicht gesehen hatten, haben es nicht einmal bemerkt.

Lass uns über deine neue CD „Tribute to Pat Metheny“ sprechen, hast du eigentlich nicht traditioneller begonnen?

Ich habe mich nie als traditionell im Sinn der Jerezaner Schule betrachtet, da gibt es andere, die ihr viel enger folgen, Manuel Parrilla oder Manuel Valencia oder Miguel Salado, sie bewahren den Toque viel besser als ich. Ich wollte immer meine eigene Sprache finden.

Von Anfang an?

Ja, sicher. Ich habe natürlich von den Großen aus Jerez gelernt, wie Morao, Parrilla, Cepero oder Periquín, ich kann das spielen, aber ich war unruhiger, neugieriger, ich wollte ein breiteres Spektrum haben.

Du hast zwei ältere Brüder, oder?

Da ist Paco, Gitarrist, von dem habe ich als erstem gelernt, er ist sehr authentisch und mein anderer Bruder José war Sänger, aber jetzt macht er etwas anderes. Sie sind viel älter als ich, ich bin ein Nachzügler und ich hörte sie immer spielen, als ich noch ganz klein war und weil ich auch dazugehören wollte, hab ich angefangen Gitarre zu spielen.

Und deine Eltern?

Mein Vater ist nur ein guter Aficionado, nicht mehr und meine Mutter, die gestorben ist, als ich noch klein war mochte den Flamenco nicht einmal, glaube ich.

Wie war nun dein Weg zu Pat Metheny?

Ich habe traditionell angefangen, bei meinem Maestro, bald begann ich aber auch schon zu komponieren und dann hat mich Manolo Sanlucar geholt, ich war vier Jahre mit ihm unterwegs und habe viel von ihm gelernt. In dieser Zeit begann ich mich für den Jazz zu interessieren und auch für die Jazzmusiker, die haben ein unglaubliches Fundament.

Und Pat Metheny?

Ist für mich einer der fünf besten Gitarristen der Geschichte, wie Paco de Lucía oder John Mc Laughlin. Er hat den Jazz bereichert, ihn auf ein anderes Terrain gebracht. Er hat ihn für ein breiteres Publikum verständlich gemacht. Er hat auch die Flamencogitarre verändert, Vicente Amigo ist ein großer Fan von ihm und der hat uns alle stark beeinflusst. Ich begann also die Musik von Pat Metheny zu hören um von ihm zu lernen und da erkannte ich, dass ich sie zum Flamenco bringen konnte, ich wollte ihm als Hommage auch zeigen, wie sehr er uns inspiriert hat und holte mir gute Musiker und begann.

Foto Ana Palma

Du interpretierst aber nicht nur seine Musik mit kleinen Änderungen, das ist ja viel mehr.

Nein, die Arrangements sind ganz anders als das Original. Ein Jazzgitarrist und ein Flamencogitarrist sind ja grundsätzlich verschieden. Schon das Instrument aber auch die Technik. Die Jazzer spielen ja mit dem Plektrum und wir mit allen Fingern, sie spielen Melodien und wir Harmonien. Und manchmal, wenn ich ein Stück spiele, glauben die Leute, dass es von mir ist, aber es ist von ihm, ich habe es nur sehr verändert.

Die Flamencokenner wie José Manuel Gamboa waren jedenfalls begeistert.

Gamboa war mir eine große Hilfe. Ich habe die CD ja selbst produziert, mit meinem Geld, aber dadurch hatte ich keinen Vertrieb. Ich habe sie ihm geschickt und er war total begeistert, darauf bin ich stolz, er versteht ja sehr viel davon. Und er hat mir geholfen, die CD bei Warner zu platzieren und die haben sie ins Programm aufgenommen.

Warum werden eigentlich so wenig Gitarrenkonzerte programmiert?

Das hat mit der „Infrastruktur“ zu tun. Die Festivals, die Programmverantwortlichen, es setzen alle auf den Tanz, weil der die Säle füllt. Vielleicht liegt es auch ein wenig an den Gitarristen selbst, vielleicht müssten sie dem Publikum ein wenig entgegenkommen, „Verständlicher“ spielen, vielleicht ist der Flamenco puro auf die Dauer zu anstrengend. Die Musik von Metheny hat eine Botschaft, sie basiert nicht so sehr auf der reinen Technik, sie erzählt mehr.

Vielleicht liegt es auch an der Sologitarre

Ja, kann sein, wir müssten mehr gemeinsam spielen, so wie bei der Hommage an Paco de Lucía, das war ein Riesenerfolg.

Bei uns im Ausland sieht man meistens nur die selben, die sind großartig, aber trotzdem

Es fehlt auch an Vertrauen in die Jungen, aber da müsst ihr uns auch in den Medien helfen. Man müsste uns einfach mehr Chancen geben.

Nun noch eine private Frage: deine Frau Mercedes Ruiz ist ja Künstlerin und sehr erfolgreich, macht das Probleme?

Bei uns ist es wie überall: Die Frauen bestimmen, was passiert. Nein, ich habe damit überhaupt kein Problem. Für mich ist es ein Privileg sie zu begleiten und ich bewundere sie sehr, sie ist für mich eine der besten. Und im Moment haben wir auch keine Terminprobleme, ich habe leider noch nicht so viele Konzerte, dass ich dauernd unterwegs wäre, aber das ändert sich ja hoffentlich bald, was nicht heißt, dass ich mehr Probleme möchte, aber mehr Konzerte schon.

Gibt es einen musikalischen Traum, den du dir gerne erfüllen möchtest?

Ich würde gerne ein Konzert für Gitarre und Orchester komponieren, das hat zwar noch Zeit, aber das wäre mein Traum.