Das ist das Schöne am Flamenco und an der intelligenten Programmgestaltung von Dorothee Schackow: María Moreno und Ana Morales wählten das gleiche Thema für ihr Programm, eine Hommage an den Vater, der in beider Leben eine bedeutende Rolle spielte. Beide hatten ähnliche Palos im Programm, eine Seguiriya, eine Alegría/Cantiña, beide waren gebettet in ein Ensemble von Musikern, die sie auf höchstem Niveau begleiteten und dennoch spielten beide Abende auf einem anderen Planeten.

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Wurde María Moreno im letzten Jahr noch als Neuentdeckung beim Festival in Jerez gefeiert, zeigte sie mit ihrem gestrigen Stück, dass sie mit einigen wenigen inzwischen in der ersten Reihe der jungen Tänzerinnen steht.

Ihre Choreografien sind raumgreifend und plastisch, mit ihrem kleinen Körper füllt sie die Bühne mühelos und bestimmt, ihre Zapateados sind lupenrein und kraftvoll, ihre Beherrschung des Mantóns beispielhaft und ihr Kastagnettenspiel makellos.

Was aber am meisten überrascht ist ihre Ruhe in dem Palo, der die Spreu vom Weizen trennt. Diesen Spruch kennt heute zwar niemand mehr, er stammt ja auch aus der Bibel und heißt im Ganzen: „Schon hält er die Schaufel in der Hand; er wird die Spreu vom Weizen trennen und den Weizen in seine Scheune bringen; die Spreu aber wird er in nie erlöschendem Feuer verbrennen.“

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Und genau das gelingt Maria Moreno in ihrer Soleá. Sie ist schwer, stark, unerschütterlich in ihrer Schönheit, wegweisend und meisterlich. Jeder Zapateado, jede Bewegung des Kopfes, jede Drehung, ja jeder Blick ist genau da, wo er sein soll, ein Zwiegespräch mit der Erde, dem Himmel und dem gewaltigen Gesang von Enrique El Extremeño. Alles Überflüssige ist verbrannt und hinterlässt keine Spuren, so als hätte man sie aus einem Marmorblock herausgehauen und poliert. Eine Soleá als Monument.

Ein großer Augenblick, auf den eine Cantiña folgt, wunderschön mit einem Mantón, der ein Eigenleben zu haben scheint und dennoch wie ein Bumerang immer wieder den Weg zurück zu ihrem Körper findet, begleitet vom luftigen Spiel von Oscar Lago und der charakteristischen Stimme von Pepe de Pura.

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Was dem Stück noch fehlt ist ein schlüssiges Gesamtkonzept, am Beginn gibt es viele Ideen, Geräusche, Lichtspiele, Hinweise auf den Traum des Vaters, der eigentlich Stierkämpfer werden wollte, aber es reicht leider nicht, einen Capote auf die Bühne zu stellen oder mit den Banderillas zu spielen, da fehlt noch ein Blick von außen, wobei wir wieder bei der Spreu und beim Weizen wären. Aber wer weiß, wie „De la Concepción“ in einem Jahr aussieht.

María Moreno: „De la Concepción“

Tanzhaus nrw, 18.04.2019

Fotos: Albrecht Korff

Text: Susanne Zellinger