Blutrot steht der Mond über der Bühne. Ist er einzigartig, so ist María Pagés es auch. Ich erinnere mich noch genau an die erste Choreografie, die ich von ihr gesehen habe. „Burlerías“ zur Musik von Tom Waits. Wann? Vor über 20 Jahren! Sie war ihrer Zeit damals so weit voraus, dass dieses Ereignis gar nicht besonders beachtet wurde. In mein Gehirn hat es sich eingebrannt als eine der besten Choreografien, die ich jemals im Flamenco gesehen habe.

Das Stück, das gestern beim Festival de Jerez gezeigt wurde, „Una Oda al Tiempo“ steht wieder außerhalb der Reihe. Die Texte von El Harbi El Harti zeichnen Bilder von großer Schönheit und Zeilen wie „Las golondrinas vuelven cansadas“ wenn die Schwalben müde von ihrem langen Flug in den Süden zurückkehren beschreiben sie einen ganz bestimmten Moment im Jahr und auch darum geht es in diesem Stück, um die Zeit und ihr vergehen. Um die Sonne, die jeden Tag wieder aufgeht, zumindest wiegen wir uns in dieser Sicherheit und um die vier Jahreszeiten, die in einem ewigen Zirkel aufeinander folgen.

©Javier Fergo para Festival de Jerez
©Javier Fergo para Festival de Jerez

Acht großartige Tänzer/innen und sieben Musiker/innen, unter ihnen die Sängerin Ana Ramón, die immer wieder ein Erlebnis ist, vor allem in der Vidalita und der Milonga, lassen sich von der strengen Hand der Pagés durch eine lyrische Landschaft führen, voll von Schönheit aber auch mit dem Hinweis auf dunkle Kapitel der Geschichte, die wir nur zu gerne vergessen.

Der Aufstand der Madrilenen am 2. Mai 1807 gegen die napoleonischen Truppen, Guernica und auch das Leiden der Frauen und ihrer Kinder, alles war da, aber ohne Sentimentalität, ohne kitschige Bilder, nur mit erhabener Schönheit und dem Hinweis, nicht zu vergessen.

©Javier Fergo para Festival de Jerez
©Javier Fergo para Festival de Jerez

Der Höhepunkt des Abends war aber der Moment in dem María Pagés den Mantón erhob und ihn auf eine Weise bewegte, nein schleuderte, dass man das Gefühl hatte, er würde die Köpfe der Zuschauer streifen Die vier Tänzerinnen folgten ihr und zum Compás der Soleá schufen sie Minuten für die Ewigkeit.

In Zeiten, in denen es fast unmöglich erscheint, Tanzkompanien dieser Größe am Leben zu erhalten, müssen wir wirklich dankbar sein, dass María Pagés mit höchstem Einsatz und unbeirrbar zielstrebig ihren Weg geht und uns immer wieder zeigt, was uns glücklich macht: Erde, Licht, Schönheit, Wahrheit, Kraft und die Möglichkeit uns zumindest im Theater in eine andere Welt zu flüchten.

María Pagés: „Una Oda al Tiempo“

Teatro Villamarta, 23.02.2019