Festival de Jerez: David Coria

Das, was bleibt

Tanzt, tanzt, sonst sind wir verloren ist ein Film von Wim Wenders über Pina Bausch, der durch ihren plötzlichen Tod unterbrochen wurde und den er dennoch dann fortsetzte und beendete.

In der Choreographie von David Coria finden sich Spuren der großen deutschen Choreographin in den trancehaften Wiederholungen, den Verdichtungen und Auflösungen, der fast zwanghaften und doch gewollten Wellen der Auflehnung und der Unterwerfung, des willenlosen Sich Hingebens und des verzweifelten Aufbegehrens.

Den Bailes robados liegt ein Begebnis zu Grunde, das sich tatsächlich zugetragen hat und durch zahlreiche Zeugnisse belegt ist:

Im Sommer 1518 ging in der französischen Stadt Straßburg eine Frau auf die Straße und begann tagelang unaufhörlich zu tanzen. Innerhalb einer Woche wurden Dutzende weitere von demselben Zwang befallen. Innerhalb eines Monats tanzten sich einige der Hunderte, die sich von diesem unwiderstehlichen Drang zum Tanzen gefangen sahen, zu Tode.

Der Grund für dieses Verhalten wurde nie wirklich geklärt, In vielen Kulturen gibt es Namen für ähnliche Phänomene, die meist psychische Ursachen haben wie im deutschen den Veitstanz, der uns bei den Bailes Robados gleich zu El Vito führt, den die wunderbare Isadora O’Ryan verhalten am Beginn intoniert. Sie spielt auch das Cello und egal ob sie zupft, streicht oder es über die Bühne zieht, an ihr ist alles Poesie.

Genauso wie die geniale Lichtregie von Gloria Montesinos, die vom düsteren, leeren Raum bis zum dichten Wald alles glaubhaft machen kann.

Durch diesen Wald an Lichtern führt David Coria seine fantastischen Tänzer*innen Aitana Rousseau, Florencia Oz, Iván Orellana und Marta Gálvez. Was letztes Jahr als Work in Progress begann und mich alles andere als begeisterte, präsentierte sich in diesem Jahr als betörende Reise in dem man dem Rattenfänger von Hameln, in diesem Fall David Coria, willig folgte. Mein Journalistenfreund neben mir sagte verwirrt – Jetzt ist ja schon wieder alles anders -. Auch das zeugt von der Intelligenz und Offenheit von David Coria, der bereit ist, alles über den Haufen zu werfen, wenn etwas nicht funktioniert.

Mal sehen, was kommt, war der Schlusssatz meines Artikels im letzten Jahr und es kam.

So wurde auch zum Beispiel auf die Gitarre verzichtet, die am Beginn noch dabei war und sie hat nicht gefehlt. Der Meistersänger David Lagos trägt mit seiner Stimme das alles ganz allein und begeisterte mit einer Trillera gefolgt von Tarantos gegen Ende, dezent begleitet von Juan M. Jiménez am Saxophon. Am Mischpult saß Chipi Cachada, was einen makellosen Sound garantierte, die Kostüme von Juan Berlanga waren sagenhaft schön, vor allem am Ende als es einmal Tüll sein durfte.

Und weiter geht’s mit den Lobgesängen:

Der Rhythmus stimmte und die Erzählstruktur, die Choreografien waren sagenhaft gut, egal ob in der Gruppe oder allein, hier ist David Coria etwas gelungen, was ihn auf die großen Bühnen der zeitgenössischen Festivals führen könnte, falls die Damen und Herren Direktoren geneigt sind über den Tellerrand zu sehen.

David Coria

Los Bailes Robados

03.03.2024

Teatro Villamarta

www.festivaldejerez.es

Fotos: Esteban Abion

Text: Susanne Zellinger