Eduardo Guerrero: Sombra Efímera II

Ein weißer Boden, der die ganze Bühne bedeckt, weiß und unschuldig, rein. Ein Berg aus Erde, dunkle Erde, die Spuren hinterlassen wird. Dunkle Flecken, wie schwarze Löcher, die die Unversehrtheit zerstören, absichtlich, nicht aus Versehen. Ein Symbol unserer Zeit. Wir wissen es, aber es ist uns egal. Ein Teil unseres Lebens, den wir überheblich akzeptieren.

Ein riesiger Vorhang aus Kleiderstücken, große, kleine, alte und neue, dunkle und farbige, beliebig angeordnet, er könnte bedrohlich wirken, aber dazwischen ist das Licht, das aus allen Lücken hervordringt, wie ein Hoffnungsschimmer. Muss man wissen, dass Eduardo Guerrero im Entstehungsprozess mit einer Spende an die NGO „Mensajeros de la Paz“ einige Säcke mit Kleidungsstücken erwarb, aus denen sich dann jeder der Kompanie einige heraussuchen durfte, zu denen er einen persönlichen Bezug hatte, so wie Samara Montañés, die Kleider aussuchte, die sie an ihre verstorbene Mutter erinnerten. Muss man das wissen? Nein, muss man nicht, aber es ist ein schöner Gedanke.

Die Texte der Cantes, meisterhaft adaptiert zur wie immer hervorragenden, klassischen Gitarre von Javier Ibáñez sind keine aus dem Flamencorepertoire, sie stammen alle aus dem Gedichteschatz der Sufi Dichter wie Mevlana Jelaluddin Rumi, das könnte eines gewesen sein:

Komm, komm, wer immer du bist,

Wanderer, Götzenanbeter,

du, der du den Abschied liebst,

es spielt keine Rolle.

Dies ist keine Karawane der Verzweiflung.

Komm, auch wenn du deinen Schwur

tausendfach gebrochen hast.

Komm, komm, noch einmal, komm!

Auch muss man nicht wissen, dass hinter „Sombra Efímera II“ eine lange Zeit intensiver Arbeit steht, wichtig ist es jedoch schon. Es ist faszinierend zu sehen, wie sich ein Stück verändern kann und wie sehr es, wie in diesem Fall an Tiefe und Aussagekraft gewinnen kann. Großen Anteil daran hatte die Lichtregie, die unglaublich schöne Räume schuf, besonders am Beginn und damit einen Zauber über die riesige Bühne legte, der entscheidend war. Man braucht Illusionen.

In Sombra Efímera wird zwar keine durchgehende Geschichte erzählt, aber es werden Bruchstücke aufgegriffen, aus Beziehungen, zärtliche Gesten wie der kleine intime Moment zwischen Eduardo und Manu Soto, der wieder durch seine absolute „Entrega“ überzeugte, seine Hingabe und sein sich Fallen lassen in die Welt dieses Stücks. Gemeinsam mit Samara Montañés bildet er ein Duo, das sich in keinster Weise ähnelt und dennoch harmoniert. Samaras wilde Rauheit und Manu Sotos jugendliche Frische sind ein Genuss, abgesehen davon wie sie sich durch die zahlreichen Palos singen, von Pregón,Tarantos, Tonás, Bulería por Soleá – wunderbar – über Zapateado und Romance.

Was alles überstrahlte war wieder einmal der Tanz von Eduardo Guerrero. Auf die Gefahr hin mich zu wiederholen und den Unbill der Ungläubigen auf mich zu ziehen: Besser kann man nicht tanzen. Er hat einfach alles. Schönheit, Eleganz, Transparenz und Präsenz, Leichtigkeit und Kraft. Man hat das Gefühl, dass er sich nie wiederholt und wenn, dann in einem völlig neuen Kontext, natürlich hat man manche Gesten und Bewegungen schon gesehen, aber es gelingt ihm ihnen jedesmal eine neue Bedeutung zu geben. Sein Repertoire scheint unerschöpflich, seine Energie – immerhin tanzt er über eine Stunde – überbordend und seine Großzügigkeit unschätzbar. Seine Bühnenpräsenz und sein Kontakt mit dem Publikum tun das Übrige. In unseren Breiten wird er am Osterwochenende beim Flamencofestival im Tanzhaus nrw in Düsseldorf zu sehen sein. Lassen Sie sich das nicht entgehen.

Sombra Efímera II

Teatro Maestranza, 01.12.2019

Regie: Mateo Feijoo