Biennale NL, die Nacht davor

Das zweite Wochenende der Biennale NL könnte vielfältiger nicht sein und das ist es auch, was diese Biennale so einzigartig macht. Es gibt Performances, aus denen man hinausgeht und sich ehrlich eingestehen muss, dass man nicht wirklich sieht, worum es da ging, oder dass man es einfach nicht verstanden hat. Andere wieder erfüllen einen mit tiefer Freude über die Schönheit des Gesehenen und die Virtuosität der Künstler oder ihren Wagemut mit denen sie sich in neue Gefilde wagen, wie José Quevedo Bolita in seinem Duett mit dem Pianisten Tony Roe.

Bolita hatte schon am Vorabend eine Probe seines Könnens gegeben mit acht Blechbläsern der Bernard van Rossum Big Band Big Band und seinen Compadres Paquito González (Percussion), Pablo Martín Caminero (Bass) und dem Sänger El Londro aus Jerez.

Nach einer großartigen Seguiriya von Londro und Bolita kommt die Band langsam in Schwung, schöne Solis der Bläser, Pablo Martín Caminero gibt Gas auf dem Bass und Paquito González hält sich wie immer nobel im Hintergrund, wofür wir ihm ewig dankbar sind, wenn wir an das monotone Getöse anderer Perkussionisten denken. Tief im Grund klopfen wir heimlich den Compás und fragen uns, wieso Paco de Lucía das mit dem Jazz eigentlich angefangen hat. Dennoch, ein musikalisch schönes Konzert mit hervorragenden Musikern.

Für den triumphalen Abend der „Academia del Piacere“, den ich leider verpasste, borgen wir uns einige Zeilen von José Manuel Gómez Gufi aus, der für deflamenco.com in Amsterdam war:

„Nach einer langen Suite, in der wir die Parallelen zwischen Mauren und Christen spürten, übernahm die Musik selbst die Musiker, bis sie in Trance gerieten, besonders dank der tunesischen Sängerin Ghalia Benali, die anfing, sich wie ein Derwisch zu drehen, der von den besten Geistern der Geschichte besessen war, und es erschien die Magie von Ziryab (789 Mosul/857 Cordoba), dem Patriarchen der Gitarristen, in Form der Sitar, wobei das ganze Set einen sehr zeitgenössischen „Groove“ erreichte und es erschienen die Sufi-Mystik und die Gedichte von Ibn Arabi (Murcia 1165 / Damaskus 1240) und die Dinge, die wir im Geschichtsunterricht hören sollten. Die Wirkung der Gruppe ist so kraftvoll, dass sie unbedingt ihren Platz in der Flamenco-Welt haben muss, um dieses Gefühl von Freiheit und Freude zu vermitteln. Es ist in der Tat eine Unterrichtsstunde in Vergnügen und Schönheit.“

Der Abend am Samstag war dem „Nicht – Flamenco“ gewidmet, was zwar ironisch gemeint war, aber zumindest am ersten Abend bei  “Luminescencia” , dem Projekt des Jazz Trompeters Amir ElSaffar zutraf. Aber das war es eigentlich gar nicht, was enttäuschte. Es fehlte die Lichtregie, alles blieb im Halbdunkel, die Auf und Abgänge der wunderbaren Vanesa Aibar genauso, außerdem hob sie sich mit ihrem dunkelblauen Kleid genau gar nicht vom ebenso schwarzen Hintergrund ab, Gema Caballeros glasklare Stimme verschwamm in den musikalischen Arrangements und der Protagonist machte den Eindruck, als wäre er lieber gar nicht da. Pablo Martín Jones war wie immer perfekt und Lorenzo Bianchi an den Electronics eigentlich verzichtbar. Ob AmirElSaffir ein guter Musiker ist? Natürlich! Wahrscheinlich ein hervorragender, aber der Flamenco ist kein Gewässer, in dem er sich wohlfühlt, oder aber es fehlte einfach der Blick von außen.

Fotos: Marion Broeks und FoppeSchut