Bienal de Sevilla – Rancapino Chico erhitzt die Gemüter

Rancapino Chico: Una mirada al pasado

Was ist denn hier los?

So uneinig wie bei Rancapino Chico ist sich die Kritik ja selten, das geht so weit, dass ich mich frage, ob die alle im gleichen Saal waren, es soll ja sogar vorkommen, dass Kritiken schon vorher geschrieben werden, aber das wollen wir ja wirklich niemandem unterstellen. Interessant ist es auf jeden Fall. Hier eine kleine Auswahl

Die Wohlwollende

Mir gefällt die Erneuerung, die er mit diesem „Blick in die Vergangenheit“ in sein Repertoire eingeführt hat, vor allem im ersten Teil des Konzerts, insbesondere die Seguiriya von Manuel Torre. Der aus Chiclana sang sehr konzentriert, mit einer liturgischen Feierlichkeit, drei Texte aus dem Repertoire des Cantaor von Jerez und zeigte damit, dass die Melodien von Manuel Torre nicht nur mit seiner energischen und attraktiven Stimme funktionieren, sondern dass die Frische und Lyrik von Rancapino Chico gut zu der gewaltigen Botschaft dieser Cantes passt.

Juan Vergillos, Diario de Sevilla

Die Euphorische

Ich breite meine Jacke vor ihm auf dem Boden aus, denn Rancapino Chico ist das Scharnier, das die Tür zur Zukunft öffnet. Es ist kein Blick in die Vergangenheit. Es ist ein Blick auf die Ewigkeit, auf diesen Ort, an dem die Zeit keine Rolle spielt, wo die Stunden nicht vergehen, wo Gesang der einzige Maßstab ist, wo es nichts gibt als einen alten Koffer voll von ‚Olés‘, den er öffnen kann, wann immer er will. Das Schwierigste in der Welt ist es, sich abzuheben, wenn jeder erwartet, dass man wie sein Vater ist. Es gibt keinen besseren Weg, ihn zu ehren, ihn zu lieben, es besser zu machen. Hören wir also auf, ihn Rancapino Chico zu nennen, denn dieser Rancapino ist sehr groß.

Alberto García Reyes, abc

Die Verzweifelte

Was hast du getan, Alonso? Wessen Idee war es, dieses Teil zur Flamenco-Biennale zu bringen. „Ein Blick in die Vergangenheit“ ist zweifellos das schlechteste Spektakel, das in diesem Jahr im Teatro Lope de Vega stattgefunden hat. In dem Theater, wo Dutzende und Hunderte von großen Künstlern atanden. In einer Nacht, die dazu bestimmt war, dich zum gegenwärtigen König des Flamenco-Gesangs zu krönen. Eine verpasste Gelegenheit, vielleicht gibt es keine andere. Alonso meines Herzens , was hast du getan?

Luis Pérez, expoflamenco

Die Vernichtende

Das Konzert war ein unverzeihlicher Unsinn für einen Künstler seiner Abstammungslinie, der außerdem eine privilegierte Kehle, ein süßes Echo, einen beneidenswerten Sinn für Rhythmus und ein natürliches Charisma sein eigen nennt. Zum einen, weil die Inszenierung so chaotisch und unelegant war, dass die Übergänge zwischen den Palos länger dauerten als der Gesang selbst. Mit anderen Worten, das Kommen und Gehen der Besetzung und von Rancapino Chico selbst wurde während des ganzen Stückes so ärgerlich, dass er das Publikum und sich selbst völlig daran hinderte, sich auf das Rezital zu konzentrieren. Aber darüber hinaus waren der Ansatz und die Auswahl des Repertoires überraschend oberflächlich und kitschig.

Sara Arguijo, deflamenco.com

Fotos: Claudia Ruiz Caro

Übersetzung: Susanne Zellinger